Streuobst
Der Verkauf von Streuobst soll angekurbelt werden – dabei haben Baden-Württembergs Erzeuger ein ganz anderes Problem
Nick Daschner & dpa
Do, 27. Juni 2024, 13:30 Uhr
Wirtschaft
Baden-Württemberg hat die größten zusammenhängenden Streuobstbestände Europas. Die Bestände sind gefährdet. Doch die Bewirtschafter der Wiesen haben es nicht leicht.
![Streuobstwiese auf dem Dinkelberg bei Rheinfelden | Foto: Ralf H. Dorweiler Streuobstwiese auf dem Dinkelberg bei Rheinfelden | Foto: Ralf H. Dorweiler](https://ais.badische-zeitung.de/piece/15/05/4b/0e/352668430-w-640.jpg)
In Baden-Württemberg und auch in Südbaden gibt es viele Streuobstwiesen, und sie haben eine große Bedeutung für die Natur. Doch ihre Bewirtschaftung ist aufwendig. Das Land will die Erzeuger deshalb unterstützen, damit sie ihre Produkte besser verkaufen können.
Für einen besseren Marktzugang und mehr Absatz regionaler Streuobstprodukte wurde nun auch Streuobst in das Qualitätszeichen (QZ) Baden-Württemberg aufgenommen. Das schreibt Agrarminister Peter Hauk (CDU) als Antwort auf eine Landtagsanfrage der Grünen-Fraktion. Das Qualitätszeichen ist eine Marke für regionale Erzeugnisse, die gemeinschaftlich vermarktet werden können.
Streuobst ist hochwertig – deshalb sollen Verbraucher dafür auch Geld ausgeben, findet das Land
Streuobstwiesen seien in Baden-Württemberg ein prägender Teil der Kulturlandschaft, Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten und Grundlage für das Angebot vieler regionaler Produkte, heißt es vom Ministerium. Das Land setzt sich daher für deren Schutz ein. Das Ministerium sowie die MBW Marketinggesellschaft informierten derzeit interessierte Bewirtschafter von Streuobstwiesen.
Voraussetzung für eine Kennzeichnung sei, dass das Obst aus definierten Streuobstbeständen stamme, kein gentechnisch verändertes Pflanzgut eingesetzt werde, auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel ab dem fünften Standjahr und auf Herbizide verzichtet werde. Auch mineralische Stickstoffdüngung sei ausgeschlossen. Die Erzeugung müsse in Baden-Württemberg erfolgen. Bei der Sortenwahl zur Neu- oder für Nachpflanzungen sollten überwiegend alte und regionale Sorten zur Sicherung eines breiten Genpools verwendet werden. Der Einsatz neuer, robuster Züchtungen sei aber auch zulässig. Streuobst sei hochwertig. "Wenn den Verbraucherinnen und Verbrauchern das bewusst ist und sie bereit sind, dafür Geld auszugeben, können sich Streuobstprodukte auf dem Markt behaupten", meint das Agrarministerium.
"Der Streuobstanbau ist nicht profitabel, wenn man ihn umweltfreundlich gestalten will"Martin Geng, Obstparadies Staufen
Doch so einfach ist es nicht, sagt David Asal. Er bewirtschaftet in Zarten im Nebenerwerb gut fünf Hektar, davon knapp drei als Streuobstwiesen. Die Streuobstbauern hätten ganz andere Probleme, vor allem, weil das Bewirtschaften so aufwendig sei. Für die meisten sei das Streuobst nur ein Hobby. Wer wie er neu mit Streuobst anfängt, tue das nicht, um damit reich zu werden.
"Der Streuobstanbau ist nicht profitabel, wenn man ihn umweltfreundlich gestalten will", sagt auch Martin Geng vom Obstparadies in Staufen, bei dem zwei von 20 Hektar Streuobstwiesen sind. Und das sei schließlich das Ziel. Die Bewirtschaftung sei sehr arbeitsintensiv, man brauche viele Leute, alles müsse von Hand gemacht werden. So steigen die Lohnkosten. "Ohne freiwillige Helfer würde Vieles nicht mehr existieren."
Gleichzeitig seien aber auch die Einnahmen eher gering, sagt Geng. Nicht nur stehen auf einer Streuobstwiese deutlich weniger Bäume als auf einer intensiv bewirtschafteten Fläche. Auch die Preise für das Obst seien zu niedrig. Der Großteil des Streuobstes werde für Saft verwendet – "und die Mostereien zahlen viel zu wenig für das Obst", sagt Geng. "Man bräuchte locker eine Preissteigerung von 200 bis 300 Prozent, damit das Geschäft rentabel ist."
Der Streuobstanbau ist als immaterielles Kulturerbe anerkannt
Die Betriebe bekommen ihr Obst also durchaus verkauft, nur zu niedrigen Preisen. Da helfe ein Landessiegel auch nicht weiter. Das einzig Sinnvolle, das Asal und Geng in dem Qualitätszeichen erkennen, ist, dass der Verbraucher zumindest wisse, woher das Obst im Saft kommt. Ein Großteil davon komme aus Polen und Rumänien, weil es dort günstiger ist, sagen die beiden Erzeuger. Geng aus Staufen verkauft möglichst viel Streuobst als Frischobst. Aus dem Rest mache er Säfte, Essig, Cider oder Fruchtaufstriche. "Ohne den Frischobstverkauf wäre mein Geschäft nicht rentabel."
Der Streuobstanbau ist seit 2021 von der deutschen Unesco-Kommission als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Schätzungen nach weist Baden-Württemberg die größten zusammenhängenden Streuobstbestände Europas mit 7,1 Millionen Streuobstbäumen auf etwa 89.000 Hektar auf. Als Hotspot der Biodiversität stehen die Streuobstwiesen im Land seit 2020 unter einem Erhaltungsgebot. Ab 1500 Quadratmetern darf ein Streuobstbestand nur mit einer Genehmigung umgewandelt werden – und auch nur, wenn die Gründe dafür so wichtig sind, dass der Erhalt dahinter zurückstehen muss. In diesen Fällen muss ein Ausgleich erfolgen, etwa durch einen neuen Streuobstbestand.
Nach der Roten Liste der Biotoptypen Baden-Württembergs sind die Streuobstbestände als gefährdet eingestuft. Seit 1965 gingen die Baumzahlen laut dem Agrarministerium um rund 60 Prozent zurück. Nach Angaben der Landesanstalt für Umwelt sind es vor allem mangelnde Pflege, der Siedlungs- und der Straßenbau, die den Streuobstwiesen zusetzen.
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