Britische bewaffnete Polizisten im Streik
Wegen der Mordanklage gegen einen Kollegen geben dreihundert Beamte ihre Waffenscheine ab. Die Regierung kündigt Gesetzesänderungen zugunsten der Polizei an.
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Die rund dreihundert Polizisten haben ihre Erlaubnis zum Tragen von Waffen bis auf Weiteres abgegeben. Der Grund für ihren Streik ist die Mordanklage gegen einen ihrer Kollegen. Der anonym gebliebene Polizeibeamte hatte im vergangenen September in Süd-London einen unbewaffneten Schwarzen mit einem Kopfschuss getötet. Gegen den Polizisten wurde jetzt Anklage erhoben. Das Gerichtsverfahren gegen ihn ist für nächstes Jahr geplant.
Viele Kollegen des Angeklagten wollen das aber nicht hinnehmen. Sie fürchten, wie einzelne von ihnen der Londoner Times gegenüber erklärten, dass sie selbst einmal, "in der Erfüllung unserer Pflicht", vor Gericht landen könnten. Die Moral der Truppe sei besonders schlecht, erklärten sie, nachdem ein jüngst veröffentlichter Untersuchungsbericht eine "zutiefst besorgniserregende, wahrhaft toxische Kultur" an der Spitze der bewaffneten Polizeieinheiten der Metropolitan Police vermeldet hatte.
Mehr Schutz für Polizisten und mehr Verständnis für deren schwierige Lage in unvorhersehbaren Situationen sei vonnöten, mahnte Londons Polizeipräsident Sir Mark Rowley. Er fordert eine "Überholung" geltender Gesetze in dieser Frage. Der Polizeichef wünscht sich generell weniger Untersuchungen von Polizeiaktionen und mehr Berücksichtigung "der Notwendigkeit der Selbstverteidigung".
Eine entsprechende Überprüfung der Gesetze gelobte unmittelbar darauf Innenministerin Suella Braverman vom rechten Flügel der Konservativen Partei. Sie wolle dafür sorgen, meinte die Ministerin, dass Polizisten, die brav ihre Pflicht täten, nicht mehr so leicht vor Gericht gestellt werden könnten wie bisher. "Wir brauchen unsere tapferen bewaffneten Polizisten, damit sie uns vor den gefährlichsten und gewalttätigsten Elementen unserer Gesellschaft beschützen", sagte sie. "Im Interesse der öffentlichen Sicherheit müssen sie unter außergewöhnlichem Druck blitzschnelle Entscheidungen treffen. Sie sollen nicht in Angst leben müssen, dass sie auf der Anklagebank landen, nur weil sie ihre Pflicht tun." Premierminister Rishi Sunak stimmte Braverman zu: Die bewaffneten Polizisten, denen das ganze Land "Dank für ihre Tapferkeit" schulde, benötigten "Klarheit" und "Gewissheit".
Dagegen warnten zahlreiche Anwälte nachdrücklich vor einer Änderung der Rechtslage. Der Menschenrechtsexperte Shoaib Khan etwa meinte: "Es gibt keinen Grund, warum Polizisten ausgenommen sein sollten von Strafverfolgung für mögliche Verbrechen, die sie bei der Ausübung ihrer Arbeit begangen haben." Der prominente Anwalt Mark Watson sagte: "Die Polizei versieht eine äußerst schwere und schwierige Rolle in unserer Gesellschaft – aber Teil dieser Gesellschaft bleibt sie doch."
Lord Macdonald, ein früherer Leiter der Strafverfolgungsbehörde in England, fügte hinzu: "Die Polizei kann kein Vetorecht haben über Entscheidungen, die Staatsanwälte bei der Strafverfolgung treffen. Wenn Polizisten sich weigern, ihre Arbeit zu tun, weil ein Beamter angeklagt worden ist, und die Innenministerin das unterstützt, dann haben wir kein funktionsfähiges Rechtssystem mehr."
Traditionsgemäß sind die meisten Polizisten auf den Britischen Inseln unbewaffnet. Bewaffnete Einheiten bekommen ein spezielles Training. In London gibt es rund 2.600 bewaffnete Polizisten.
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