Von den Kleinen lernen
Der Brauch, am Nikolaustag einen Kinderbischof zu wählen, stammt aus dem Mittelalter.
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Es ist der 6. Dezember 1320. Heute ist Nikolaustag. An sich ein schöner Tag, an dem man an den heiligen Bischof Nikolaus denkt und an sein glorreiches Leben in ferner Zeit. Den Brauch, an diesem Tag Kinder zu beschenken, findet Adalbertus gut. Aber die Kinder der Klosterschule einen Kinderbischof wählen zu lassen, findet er grauenhaft. Wozu sollte ein Brauch gut sein, der einem naseweisen Gör erlaubt, Erwachsene zu tadeln und sogar zu strafen?
Mönch Adalbertus reibt sich missmutig die Hand. Er unterrichtet gern – und er schlägt auch gern. Mit dem Stock. Nur so können die Schüler zu gehorsamen Menschen erzogen werden, ist er überzeugt. Er hatte es als Kind selbst so erlebt. Mit dem dünnen Stock hatte sein Lehrer weit ausgeholt und das Ende auf die Innenfläche von Adalbertus’ Händen sausen lassen. Es tat höllisch weh. Manchmal wusste er gar nicht, warum er bestraft wurde.
Bei der Erinnerung an die Schläge zuckt der Mönch zusammen. Da bekommt es der zwölfjährige Johannes, der immer noch den Stock in der Hand hält, mit der Angst zu tun: "Hat es Euch denn sehr weh getan, Meister Adalbertus?", fragt er. Johannes steht so wacklig da, als sinke er gleich wie ein leerer Sack in sich zusammen. "Nein, nein, als frisch gewählter Kinderbischof darfst du das ja", knirscht der Mönch aus seinen zusammengepressten Zähnen hervor. Der Zorn auf den Brauch und auf diesen blassen Jungen brennt immer noch und schließlich lässt er ihm freien Lauf: "Aber ich weiß nicht, wofür du mich eigentlich geschlagen hast!"
Einen Augenblick ist es ganz still. Adalbertus und Johannes blicken sich stumm an. Da bricht Johannes in Tränen aus. Genau das habe er seinen Mitschülern auch gesagt, schluchzt er: "Ich will nicht hauen, nur, weil ich es jetzt darf als Kinderbischof." Da hätten sie ihn ausgelacht und ihn einen Feigling genannt. Und mit dem Hieb wollte er nun beweisen, dass er es doch gut kann, auch wenn es gar keinen Grund gibt.
Johannes sieht ganz unglücklich aus. "Meister Adalbertus?", fragt er, "muss ich als Kinderbischof jetzt aufhören, weil ich nicht gut strafen kann?" Da nimmt Adalbertus ihm den Schlagstock aus der Hand, stellt ihn in die Ecke und hat plötzlich all die ängstlichen Gesichter seiner Schüler vor Augen, wenn er den Stock auf ihre Hände knallen lässt.
"Johannes", sagt er schließlich, "was hältst Du davon, drei Wochen länger als sonst unser Kinderbischof im Kloster zu sein?" "Weil ich noch so viel lernen muss, Meister Adalbertus?" – "Nein. Du nicht. Aber wir. Die Erwachsenen."