Zu süß
Ärzte warnen vor übermäßigem Zuckerkonsum
Viele Deutsche nehmen zu viel Süßes zu sich. Jetzt reagiert die Bundesregierung und sammelt Ideen für weniger Zucker im Essen und im Trinken. Die Lebensmittelindustrie erklärt sich bereit dazu, die Rezepturen ihrer Fertiggerichte zu überdenken.
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Die WHO meint, dass Erwachsene höchstens 18 Kilogramm Zucker im Jahr zu sich nehmen sollten. Bei Kindern hält sie einen Wert von neun Kilogramm für empfehlenswert. Tatsächlich konsumieren erwachsene Bundesbürger im Durchschnitt 32 Kilogramm Zucker pro Jahr. Das sind pro Tag 22 Teelöffel. Viele Kinder essen weit mehr als die täglich sechs Teelöffel Zucker, die aus Sicht der WHO ratsam sind.
Laufend, sagt Thomas Fischbach vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, erlebten er und seine Kollegen, wohin das führe: "Wir sehen Vierjährige mit schwarzen, faulen Zähnen. Und Achtjährige, die so dick sind, dass sie nicht auf einem Bein hüpfen können." Dabei weiß wohl jeder, dass Cola, Fanta, Kekse, Schokolade, Cornflakes und Fruchtgummis Zucker enthalten. Nur unterschätzen viele, wie viel. In einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung sollten Eltern schätzen, wie viele Stück Würfelzucker in einem handelsüblichen Fruchtjoghurt mit 250 Gramm Inhalt stecken. Vier, lautete die Antwort der meisten. Doch es sind elf.
Um Verbraucher Informationen auf einen Blick zu geben, machten sich Krankenkassen, Bundesärztekammer und Verbraucherzentralen lange für die Lebensmittelampel stark, die anhand der Farben Rot, Gelb und Grün zeigt, wie viel Zucker, Salz und Fett ein Lebensmittel enthält. Allerdings lehnt die Nahrungsmittelindustrie die Ampel als irreführend ab und fand mit ihrer Position in Berlin Gehör. Sowohl die frühere Agrarministerin Ilse Aigner als auch ihr Nachfolger Christian Schmidt (beide CSU) lehnten die Ampel ab. Stattdessen sollte Schmidt eine "nationale Reduktionsstrategie" entwickeln. Dazu kam es nicht. Nun versucht sich Schmidts Nachfolgerin Klöckner an diesem Ziel.
Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, meint, dass der Zuckergehalt über die Jahre sukzessive sinken sollte. "Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass sich geschmacklich der Rückgang nicht bemerkbar macht – die positiven Effekte für die Gesundheit aber sehr wohl." Hilfreich sei für Verbraucher auch eine Kennzeichnung, um innerhalb derselben Lebensmittelgruppe zu vergleichen.
Bis Jahresende will Klöckner einen Vorschlag vorlegen. An einer Stelle ist sie vorgeprescht. Zugesetzten Zucker und andere süßende Zutaten in Baby- und Kindertees will sie verbieten. "Wir dürfen Babys nicht auf Zucker und Süße konditionieren."
Dass eine unausgewogene Ernährung der Gesundheit schadet und früher oder später die Bundesregierung auf den Plan ruft, ist der Nahrungsmittelbranche nicht verborgen geblieben. Deshalb wird sie von sich aus aktiv. Lidl hat angekündigt, bis 2025 den Salz- und Zuckergehalt bei den Eigenmarken um 20 Prozent zu mindern. Rewe gibt an, dies bei 63 Produkten schon getan zu haben. Haribo verkauft ein Produkt, das 30 Prozent weniger Zucker enthält. Klöckner unterzeichnete am Dienstag zudem mit der Ernährungswirtschaft eine Grundsatzvereinbarung zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten. Bis Jahresende sollen Details erarbeitet werden und dies als Beitrag der Wirtschaft in die Strategie der Regierung einfließen.
Aus Sicht der Verbraucherorganisation Foodwatch sind Softdrinks wie Cola die wahren Zuckerbomben. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker über die sogenannten Erfrischungsgetränke betrage 26 Gramm am Tag. Foodwatch verlangt eine "Limo-Steuer" nach britischem Beispiel. Sie habe in Großbritannien zu einem "wahren Zuckersturz im Getränkeregal" geführt. Offen ist aber, in welchem Maße verstärkt Zuckerersatzstoffe eingesetzt werden.
Eine Steuer auf Süßgetränke fordert die WHO seit Langem. Norwegen war 1981 Pionier. Laut World Cancer Research Fund (WCRF) gibt es die Zuckersteuer nun in 50 Ländern oder Kommunen der USA wie Seattle. Aus Sicht des WCRF besteht kein Zweifel, dass die Steuer den Konsum mindert. In Mexiko habe der Preisaufschlag von zehn Prozent dazu geführt, dass der Absatz um 8,2 Prozent sank und danach nicht wieder stieg.
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