BZ-Interview
Rechtsprofessor über den Persönlichkeitsschutz im Internet
Am Wochenende trifft sich in Freiburg die deutsche Sektion der Internationalen Juristenkommission zur Jahrestagung mit dem Thema „Persönlichkeitsschutz unter den Bedingungen des Internets“. Der Berliner Juraprofessor Martin Eifert ist einer der Hauptredner. Mit ihm sprach Christian Rath.
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Eifert: Früher wurde die Öffentlichkeit vor allem durch Journalisten geprägt, für die berufliche Sorgfaltspflichten gelten. Durch das Internet entstanden viele neue – meist betont subjektiv gefärbte – Teil- und Halböffentlichkeiten: private Blogs, Beiträge in Diskussionsforen, Mitteilungen an mehr oder weniger große Freundeskreise in sozialen Netzwerken.
BZ: "Subjektiv gefärbt", das heißt es gibt viele Beleidigungen, Verleumdungen und Indiskretionen?
Eifert: Nicht nur, aber auch. Hinzu kommt, dass solche Beiträge im Internet dauerhaft präsent bleiben und der Zugriff auch nicht örtlich beschränkt ist. Über Suchmaschinen lassen sich all diese Inhalte leicht zu einer Art Persönlichkeitsprofil zusammenstellen.
BZ: Ist das Internet ein rechtsfreier Raum, weil viele Inhalte ja auf Servern im Ausland liegen?
Eifert: Nein. Zwar unterscheidet sich der Persönlichkeitsschutz etwa in den USA vom europäischen, aber es sind deutliche Annäherungen sichtbar. Außerdem machen große Akteure wie Google und Facebook auch Geschäfte in Europa, müssen sich also an europäisches Recht halten. Man wird zwar nicht jede Nische weltweit von Europa aus regulieren können, für das Massengeschäft ist die Rechtsprechung aber auf einem guten Weg.
BZ: Die Rechtsprechung? Wäre es nicht besser, der Gesetzgeber würde einen präzisen Rahmen vorgeben?
Eifert: Nein. Das Internet schafft eine völlig neue Lebenswirklichkeit. Da wäre es eine Illusion zu glauben, Bundesregierung und Bundestag müssten nur klug nachdenken und kämen dann sofort zu überzeugenden Lösungen für alle erwartbaren Probleme. Es scheint mir sinnvoller zu warten, welche Konflikte sich in der Realität tatsächlich ergeben. Die Gerichte können dann kreative Lösungen entwickeln, die diskutiert, kritisiert und weiterentwickelt werden. Da sollte sich zunächst nicht nur der Gesetzgeber zurückhalten, auch das Bundesverfassungsgericht und europäische Gerichte sollten den Prozess nicht durch vorschnelle Vorgaben einengen.
BZ: Haben Sie ein Beispiel für kreative Lösungen der Gerichte?
Eifert: Der Bundesgerichtshof musste sich in diesem Sommer mit der Frage befassen, was jemand tun muss, der auf seiner Homepage falsche Informationen über eine andere Person verbreitet hat. Genügt es, dass er die falschen Angaben dort berichtigt? Der Bundesgerichtshof ging weiter: Der Verursacher muss auch im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren recherchieren, ob Dritte diesen persönlichkeitsverletzenden Artikel übernommen haben und bei ihnen auf die Löschung hinwirken.
BZ: Welche Verantwortung haben die Informationsvermittler – also Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Forenbetreiber?
Eifert: Hier wurden differenzierte Lösungen gefunden. Einerseits haften die technischen Mittler nicht für alles, was auf ihren Plattformen passiert. Sie müssen also nicht alle Inhalte prüfen, weil das die Entwicklung des Internets übermäßig behindern würde. Wenn die Mittler aber auf einen rechtswidrigen Inhalt hingewiesen wurden, müssen sie reagieren und den Inhalt entfernen oder blockieren. Die technischen Plattformen sind also nicht völlig frei von Verantwortung.
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