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Tierisch leben (10)

Tierheime sind alles andere als Aufbewahranstalten

Den Partner fürs Leben zu finden, das ist so eine Sache. Damit es besser klappt, gibt es heute Partnerbörsen. Eiserne Regel: Vorteilhaftes Foto und dann hemmungslos die Vorzüge anpreisen, ohne die Macken allzu krass unter den Tisch fallen zu lassen.  

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Tiefe Blicke: Seit drei Monaten ist die schüchterne Honey im Freiburger Tierheim. Foto: Tierschutzverein
"Schüchternes Mauerblümchen sucht starke Schulter zum Anlehen", heißt es in Honeys Profil. Auf dem Porträtfoto hat sie den Kopf leicht schräg gelegt, der Blick aus den hellblauen Augen ist direkt auf den Betrachter gerichtet. Ein wenig traurig schaut sie, die Ohren allerdings sind keck zur Seite geklappt.

Wenn Honey Glück hat, verliert ein Hundefreund sein Herz an das "kleine zuckersüße Hundemädchen". Es folgen ein paar Dates zum gegenseitigen Beschnuppern – ausgedehnte Spaziergänge während der Öffnungszeiten des Freiburger Tierheims –, die Tierheimmitarbeiter geben ihr Okay zum neuen Zuhause, der neue Besitzer zahlt eine Schutzgebühr von 300 Euro. Und dann hat Honey einen neuen Partner fürs Leben, vielleicht eine neue Familie – und diese ein neues Mitglied.

Klarer Fall: Bei Honeys Profil waren Profis am Werk. Es ist auf der Homepage des Freiburger Tierschutzvereins zu finden. Foto und Text hängen aber auch an einer Pinnwand im lichtdurchfluteten Foyer des Tierheims, das der Verein im Freiburger Stadtteil Lehen betreibt. Geschrieben wurde das Hundeporträt von Elena Jahn. Die stellvertretende Leiterin des Tierheims, eine zierliche 29-Jährige, hat sich schon als Schülerin mit dem Tierheimvirus angesteckt. Die Arbeit dort hinterlässt ihre Spuren auch im Privatleben: Jahn zieht bei sich zu Hause gerade fünf verwaiste Katzenkinder auf. Ihr Hund, der unter dem Empfangstresen immer mal ein "Wuff" von gibt, wurde an der Dreisam in einer Gemüsekiste gefunden. Und weil sie mit ihren Tieren nur schwer eine Wohnung fand, wohnt sie mittlerweile auf dem Tierheimgelände. Bei Jahns Kolleginnen sieht es ähnlich aus, eine päppelt zu Hause Krähenjunge hoch, eine andere zwei kleine Enten. "Das kriegt man nicht anders hin als ehrenamtlich", sagt Jahn.

Ein Tierheim lebt vom unermüdlichen Einsatz vieler: von Vereinsmitgliedern, die mit Bücherflohmärkten und Sommerfesten für zusätzliches Geld sorgen, von Hundepaten, von Spendern von Katzenfutter, von vielen Ehrenamtlichen. Zum Beispiel Frau Materne. In ihrer Wohnung in einem Reihenhaus im Freiburger Stadtteil Haslach kümmert sich die ältere Dame um rund 500 Jungvögel pro Jahr, die besorgte Freiburger direkt bei ihr abgeben. Sind die Vögel flügge, kommen sie in die großen Volieren im Tierheim, bis sie schließlich ihre Schwingen wieder in der Freiheit ausstrecken können. Seit ein paar Jahren nimmt sich der Freiburger Tierschutzverein auch kranken und verwaisten Wildtieren an – weil der Bedarf da war.

Trotz dieses unbezahlbaren Engagements reicht das Geld in den Tierheimen hinten und vorne nicht. "Die Vereine müssen unglaublich kämpfen", erklärt Marius Tünte, der Sprecher des Deutschen Tierschutzbundes, Dachverband für 750 Tierschutzvereine mit ihren 500 Heimen. Im Jahr 2010 hat der Tierschutzbund deshalb die Kampagne "Rettet die Tierheime" gestartet. Sie ist immer noch aktuell. "Jedes zweite Tierheim ist von der Pleite bedroht", sagt Tünte. Auch viele Einrichtungen in Südbaden klagen über akute Finanznot – so etwa das Tierheim Ehrenkirchen-Scherzingen. "Es ist fünf vor zwölf bei uns", warnt dessen Leiterin Tina Gwildies.

Früher konnten viele Tierheime ihr jährliches Minus im Betrieb gut mit Spenden und Erbschaften ausgleichen, doch diese Rechnung geht nicht mehr auf. "Diese Einnahmen sind extrem rückläufig", sagt etwa Martin Spirgatis, der Leiter des Tierschutzvereins "Lahr und Umgebung". Dabei steigen die Kosten: Der Mindestlohn muss bezahlt werden, genauso das Futter und der Tierarzt. Die Tierheime merken, wenn die Leute mehr aufs Geld schauen: Es würden immer mehr alte und kranke Tiere abgegeben, sagt Spirgatis – weil ihre Besitzer sich die Kosten nicht mehr leisten können oder wollen.

Die Tierschutzvereine übernehmen mit den Heimen eine Aufgabe, zu der eigentlich die Kommunen verpflichtet sind: die Versorgung von Fundtieren. Jede Stadt oder Gemeinde handelt dementsprechend mit einem Tierschutzverein einen Vertrag aus. Die Vereine haben in den vergangenen Jahren immer lauter um Hilfe gerufen – einige sind erhört worden.

Das Offenburger Tierheim steht gut da, auch die Zuschüsse für die Tierheime in Lahr und Freiburg wurden nach Jahren mit großen Defiziten kräftig aufgestockt. "Es ist wesentlich besser geworden", lobt Elena Jahn. Doch auch die höheren Zuschüsse decken die laufenden Kosten nicht komplett ab. Für die fälligen Sanierungen sind die Tierheime deshalb weiter dringend auf Spenden angewiesen. In Freiburg verbrachten Igel den vergangenen Winter in einer umgebauten Vogelvoliere – der Verein sammelt gerade Geld für ein neues Igelhaus.

Die Tierbetreuung kostet heute auch mehr, weil die Tierschutzvereine sensibler geworden sind, was das Wohl ihrer Schützlinge angeht. So überprüft der Freiburger Tierschutzverein mittlerweile auch die Plätze von Kleintieren und Vögeln. "Das hat sich bewährt, gerade bei den Kleintieren ist viel falsch gemacht worden", sagt Jahn. Sie werden heute nur noch zu zweit vermittelt; vier Quadratmeter für zwei Kaninchen, so viel Platz soll es schon sein.

Die Tiere sollen es gut haben. Und das nicht erst beim neuen Besitzer, sondern auch schon im Tierheim. Wer eine Art Aufbewahrungsanstalt, ein tristes Tierasyl mit engen Käfigen und depressiven Insassen erwartet, der täuscht sich. Im großen Außenbereich des Freiburger Tierheims suhlt sich eine Gruppe aus Wild- und Hängebauchschweinen zufrieden im Erdreich, während nebenan Krähen in ihrer Voliere krächzen. Die Schweine sind wegen geringer Nachfrage seit Jahren da, im Katzentrakt herrscht dagegen ein reges Kommen und Gehen. Ob es an den zwei Knuddelzimmern liegt? Dort leben die Katzen in Gruppen – und während die einen misstrauisch von ihrem Hochsitz starren, können die anderen gar nicht genug gestreichelt werden – perfekt, um Besucherherzen zu erobern.

Kaum ein Hund muss seinen

Lebensabend hier verbringen

Im Hundetrakt wird der Besucher mit lautem Gebell begrüßt, die Tiere sind zu zweit oder dritt in den tristen Außengehegen. "Der Hundebereich ist nicht mehr auf dem neuestens Stand", sagt Elena Jahn fast entschuldigend. Sie hätte lieber "weniger Zwinger, mehr Wohnzimmer". Doch auch jetzt schon kommt jeder Hund während der Öffnungszeiten einmal raus. Dafür sorgen Tierpfleger und Paten, die mit den Hunden spazieren gehen – und zum Teil "ihren" festen Hund haben.

Und die Tiere, die niemand mehr haben will, alte, kranke, schwierige Hunde? Manchmal komme es schon vor, dass so ein Hund nicht mehr vermittelt werde, sagt Jahn. "Dann machen wir einen Aufruf, ob ihn jemand zur Pflege nimmt – und wir übernehmen die Kosten." Selbst für schwierige Hunde finde sich meist ein passender Mensch. "Es ist fast nie so, dass ein Hund seinen Lebensabend im Tierheim verbringen muss." Dafür haben die meisten hier einfach ein zu großes Herz.

Morgen lesen Sie: Helfer mit vier Pfoten – was kann die tiergestützte Therapie?

Alle Beiträge finden Sie unter http://mehr.bz/tierisch-leben

Ressort: Panorama

Dossier: Tierisch leben

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