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Muss Deutschland doch noch zahlen?

Mehr als 70 Jahre nach Ende des Weltkriegs zweifelt ein Gutachten des Bundestags das deutsche Nein zu Reparationsforderungen an.  

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Grab des unbekannten Soldaten vor Parlamentsgebäude  | Foto: Yannis Kolesidis
Grab des unbekannten Soldaten vor Parlamentsgebäude Foto: Yannis Kolesidis
BERLIN. Ein Bundestags-Gutachten zweifelt die deutsche Absage an griechische Reparationsforderungen für Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg an. "Die Position der Bundesregierung ist völkerrechtlich vertretbar, aber keineswegs zwingend", heißt es in einem neuen Sachstandsbericht der Wissenschaftlichen Dienste des Parlaments, der von der Linken in Auftrag gegeben wurde. Die Bundestags-Experten regen darin eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag an, um Rechtsklarheit zu schaffen. Zu einem solchen Verfahren müsste die Bundesregierung sich aber freiwillig bereit erklären, weil der Streitfall mehr als 70 Jahre zurückliegt.

Griechenland hatte Deutschland Anfang Juni offiziell mit einer diplomatischen Note zu Verhandlungen über Reparationen aufgefordert. Die Regierung in Athen – damals noch unter dem linken Regierungschef Alexis Tsipras – war dazu vom Parlament aufgefordert worden. Eine griechische Expertenkommission hat die Summe für die von Deutschland verursachten Kriegsschäden auf 290 Milliarden Euro geschätzt.

Für die Bundesregierung ist das Thema allerdings rechtlich und politisch abgeschlossen. Sie ist der Meinung, dass der Zwei-plus-Vier-Vertrag zur Wiedervereinigung von 1990 "die endgültige Regelung der durch den Krieg entstandenen Rechtsfragen" enthält. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem waren zahlreiche von Nazi-Deutschland angegriffene und besetzte Staaten wie Griechenland und Polen an den Verhandlungen darüber nicht beteiligt.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer bekräftigte die Haltung der Bundesregierung am Mittwoch trotz des neuen Gutachtens: "An unserer grundsätzlichen juristischen Haltung hat sich nichts geändert", sagte sie. Auch eine gerichtliche Klärung der Reparationsfrage ist für die Bundesregierung kein Thema. Dies sei "von keiner Seite derzeit beabsichtigt", sagte der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amts, Rainer Breul. Die Bundesregierung müsste sich zu einem Verfahren in Den Haag freiwillig bereiterklären, weil sie erst seit 2008 generell der dortigen Rechtsprechung unterworfen ist.

Deutschland hat seit dem Zweiten Weltkrieg auf der Grundlage unterschiedlicher Gesetze und Abkommen Kriegsopfer im Ausland entschädigt. Die Summe der individuellen Zahlungen seit 1945 wurde in einem Bundestags-Gutachten von 2017 auf 74,5 Milliarden Euro beziffert.

Die deutsche Absage an weitere Entschädigungszahlungen gilt nicht nur für Griechenland, sondern auch für Polen. Aus dem Nachbarland Deutschlands kommen ebenfalls seit längerem Reparationsforderungen, die von den Bundestags-Gutachtern allerdings als unbegründet angesehen werden. Dafür seien "keine stichhaltigen juristischen Argumentationslinien zu erkennen", schreiben die Experten. Im Gegensatz zu Griechenland habe Polen 1953 und dann nochmals 1970 ausdrücklich den Verzicht auf Reparationen erklärt, was bis heute "völkerrechtlich bindend" sei. Von polnischer Seite werden diese Erklärungen allerdings als unwirksam angesehen, weil sie auf Druck der Sowjetunion erfolgt seien.

Eine polnische Parlamentskommission will bis Ende des Jahres ihren Bericht zum Thema Reparationen vorlegen. Ihr Vorsitzender Arkadiusz Mularczyk kritisierte den Sachstandsbericht des Bundestags scharf. "Das Gutachten ist ein Versuch, die Solidarität Polens und Griechenlands zu spalten", sagte der Politiker der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) am Mittwoch. "Das ist eher ein Wunsch-Gutachten, das die Staatsräson Deutschlands repräsentiert, und nicht ein Gutachten, das auf harten Fakten oder harten Beweisen beruht."

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 11. Juli 2019: PDF-Version herunterladen

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