Berlin
Keine schöne Bescherung für viele: Was die Haushaltseinigung bedeutet
Nach nervenaufreibenden Haushaltsverhandlungen hat sich die Ampel-Koalition zusammengerauft. Sie kürzt und spart an zig Stellen im Etat für 2024. Das bringt für manche auch Belastungen.
Theresa Münch, Andreas Hoenig & dpa
Mi, 13. Dez 2023, 18:17 Uhr
Deutschland
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Der CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien soll angehoben werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagten, man kehre auf den alten Preispfad der großen Koalition zurück. Das bedeutet, der CO2-Preis steigt zum 1. Januar 2024 nicht wie bisher geplant auf 40 Euro pro Tonne - sondern auf 45 Euro. Derzeit liegt er bei 30 Euro. Eine Erhöhung des CO2-Preises schon ab Anfang 2023 hatte die Koalition wegen der Energiekrise verschoben - und war damit vom Preispfad der Vorgängerregierung aus Union und SPD abgewichen.
2025 soll der CO2-Preis dann auf 55 Euro steigen. Die Einnahmen daraus fließen in den Klima- und Transformationsfonds, aus dem Projekte unter anderem für Klimaschutz finanziert werden. Genau diesem Fonds hatte das Bundesverfassungsgericht Mitte November 60 Milliarden Euro gestrichen. Durch den höheren Preis gibt es nun also Mehreinnahmen.
Nach Angaben des ADAC müssen Nutzer von Benzin-Pkw durch den schnelleren Anstieg mit Zusatzkosten von 1,4 Cent pro Liter rechnen. Insgesamt werde der Liter Benzin damit zum Jahreswechsel rechnerisch um rund 4,3 Cent teurer. Diesel-Fahrer müssten mit zusätzlichen 1,6 Cent gegenüber den ursprünglichen Planungen rechnen, so dass sich der Liter Diesel um rund 4,7 Cent verteuern dürfte. Gas verteuert sich nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox um 0,39 Cent die Kilowattstunde, Heizöl um 4,8 Cent pro Liter. Eine Musterfamilie mit einem Heizbedarf von 20 000 Kilowattstunden habe dadurch jährliche Mehrkosten von 78 Euro beim Gas und 96 Euro bei einer Ölheizung.
Verbraucher und Firmen müssen sich außerdem auf höhere Strompreise einstellen. Der Grund: Ein eigentlich geplanter 5,5 Milliarden schwerer Bundeszuschuss zu den Entgelten für das Stromnetz wird gestrichen. Die Netzentgelte für die Stromautobahnen sind ein Bestandteil des Strompreises. Wie die Übertragungsnetzbetreiber mitteilten, verdoppeln sich nun die Netzentgelte für 2024 auf im Mittel 6,43 Cent pro Kilowattstunde.
Das Unternehmen 50Hertz, ein Betreiber der Stromautobahnen, schätzt, dass das für einen Haushaltskunden mit durchschnittlichem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr Mehrkosten von rund 60 Euro bedeutet. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer kritisierte, auch der Wirtschaft drohten in der gesamten Breite zum Jahreswechsel deutlich steigende Strompreise. Vor allem für große Industrieunternehmen gibt es aber deutlich reduzierte Netzentgelte.
Die Koalition hält außerdem an der geplanten Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe fest. Die staatlichen Gas- und Strompreisbremsen dagegen laufen infolge des Urteils bereits Ende des Jahres aus und nicht wie eigentlich geplant Ende März.
Bei der staatlichen Förderung von E-Autos ist es bereits zu Kürzungen gekommen, weitere sind geplant. Laut Habeck will die Koalition die Umweltprämie früher beenden als bisher geplant. Vorgesehen war das Ende der Kaufprämien für E-Autos eigentlich für 2025. Wann nun Schluss ist, blieb zunächst offen. Bereits gestellte Anträge dürfte das aber nicht betreffen.
Auch aus Plastik hergestellte Produkte könnten teurer werden, denn die Hersteller sollen künftig eine Plastikabgabe an die EU selbst zahlen, die bisher aus Steuermitteln überwiesen wird. Es geht um 1,4 Milliarden Euro. Die Zusatzkosten könnten die Hersteller an die Endverbraucher weitergeben. Im Finanzministerium wird betont, es handele sich eigentlich um eine Entlastung der Steuerzahler - denn sie müssten die Abgabe über ihre Steuern jetzt nicht mehr selbst finanzieren.
Auch eine geltende Steuerbefreiung für Kerosin gilt vielen Umweltverbänden seit langem als klimaschädliche Subvention. Aus Kreisen des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums hieß es nun: "Unter anderem werden wir Kerosin im nationalen Luftverkehr zukünftig besteuern." Das stärke den Klimaschutz. Möglich wäre das dem Vernehmen nach nur für innerdeutsche Flüge - und es könnte sich auf die Flugpreise auswirken. Das letzte Wort scheint dazu in der Koalition aber noch nicht gesprochen.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft kritisierte: "Bereits heute hängt Deutschland in der Wiederbelebung des Luftverkehrs seit der Pandemie deutlich hinter fast allen anderen europäischen und außereuropäischen Ländern zurück." In dieser Situation mit einem nationalen Alleingang den Zubringerverkehr zu deutschen Drehkreuzen zu verteuern, sei keine gute Idee. Es verschiebe Verkehr ins europäische und internationale Ausland.
Kürzen will die Ampel auch bei Steuervergünstigungen für Land- und Forstwirte. Aktuell können sich solche Betriebe einen Teil der für ihren Kraftstoffverbrauch gezahlten Energiesteuer auf Antrag zurückerstatten lassen. Außerdem sind land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit.
Agrarminister Cem Özdemir meldete Bedenken gegen mögliche weitgehende Einsparungen an. Er habe immer davor gewarnt, die Landwirtschaft überproportional zu belasten, sagte der Grünen-Politiker. "Wenn sowohl Agrardieselbeihilfe als auch Kfz-Steuer-Befreiung gestrichen werden, ist dies der Fall. Das halte ich für problematisch." Dies wäre ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern, die vergleichbare Subventionierungen anböten.
Viele hatten während der Verhandlungen vor allem Kürzungen im Sozialbereich befürchtet. Doch diese bleiben nun weitgehend aus. Die Kindergrundsicherung soll 2025 wie geplant starten. Auch das Bürgergeld wird zum Jahreswechsel wie geplant erhöht. Gestrichen wird hier dem Vernehmen nach allerdings ein Bonus. Es geht um monatlich 75 Euro für diejenigen, die an Maßnahmen teilnehmen, die besonders dabei unterstützen, langfristig zurück in den Job zu finden.
Auch einige von Umweltverbänden als klimaschädlich eingestufte Subventionen bleiben bestehen. Darunter sind zum Beispiel der Steuervorteil für Diesel-Kraftstoff und die Dienstwagenpauschale, die aus Sicht von Kritikern den Verkauf großer Verbrennerautos fördert und oberen Einkommensgruppen zugutekommt. Auch an der Pendlerpauschale wird nicht gerüttelt.
Ihren mühsam ausgehandelten Kompromiss beim Heizungsgesetz tastet die Koalition in den Grundzügen ebenfalls nicht mehr an - ein sogenannter Geschwindigkeitsbonus beim Einbau einer neuen klimafreundlichen Heizung soll aber nicht ganz so hoch ausfallen wie geplant. Trotz der Haushaltskrise hält die Ampel auch an Milliardenzuschüssen für Industrieprojekte in Ostdeutschland fest, darunter die Chipfabriken von Intel bei Magdeburg und von TSMC bei Dresden.
Droht die Hilfe für die Ukraine zu versiegen? Seit Mittwochmittag ist klar: Die Bundesregierung will die Ukraine weiter unterstützen. "Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, werden wir darauf reagieren müssen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Um vorbereitet zu sein, habe man zwischen den Ampel-Parteien bereits vereinbart, die Sonderregel der Schuldenbremse zu nutzen. Im Klartext: Um die Ukraine zu unterstützen, würde man neue Schulden machen. Dazu müsste man gemäß dem Grundgesetz eine Notlage erklären. Die Stimmen der Koalition reichen dafür aber aus.
Scholz nannte drei mögliche Szenarien, in denen es dazu kommen könnte. Erstens, die Lage auf dem Schlachtfeld. Tatsächlich gilt die Offensive der ukrainischen Armee als gescheitert. An vielen Teilen der Front hat Russland die Initiative und greift an. Als weitere Möglichkeit nannte Scholz das Szenario, falls sich andere Partner zurückziehen. So hatte etwa die Slowakei nach einem Regierungswechsel seine Militärhilfen an die Ukraine gestoppt. Besonders nervös blickt man derzeit nach Washington. Die USA sind größter Unterstützer der Ukraine, doch Regierung und Opposition können sich nicht über die Freigabe weiterer Hilfen einigen. Als dritte Option nannte Scholz, wenn die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunehme.
Innerhalb der Koalition gibt es unterschiedliche Meinungen zu einer solchen Notlage. Mancher sagt, die eingeplanten acht Milliarden Euro reichen für 2024 aus. Bei den Grünen im Bundestag wäre man schon jetzt bereit, die Hilfe für die Ukraine mit mehr Schulden zu finanzieren. Die Opposition kritisierte hingegen Scholz" Pläne. Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz sprach mit Blick auf eine mögliche Notlage von "finanzpolitischer Trickserei". Im Bundestag sagte er: "Diesen Trick lassen wir Ihnen nicht durchgehen." (Tobias Heimbach)
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