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Gemeinderatssitzung

Grafenhausener Bürger fürchten durch niedrigen Wasserstand am Schlüchtsee dauerhafte Schäden

  • Sa, 29. Juni 2024, 10:00 Uhr
    Grafenhausen

     

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Aus den Reihen der Zuhörer und von Gemeinderäten hagelt es in der Ratssitzung am Donnerstagabend Kritik am Landratsamt. Das hat eine Absenkung des Wasserstandes am Schlüchtsee angeordnet.

Vielen Bürgern fehlt das Verständnis d...im Schlüchtsee  massiv abgesenkt wurde  | Foto: Wilfried Dieckmann
Vielen Bürgern fehlt das Verständnis dafür, wieso der Wasserstand im Schlüchtsee massiv abgesenkt wurde Foto: Wilfried Dieckmann
"An dem Gewässer wird es unwiderrufliche Schäden geben", befürchtete Guido Strittmatter ob der Absenkung des Schlüchtsees aus den Bürgerreihen in der Frageviertelstunde des Grafenhausener Gemeinderates. Auch Gemeinderätin Barbara Bohl zeigte kein Verständnis für die Anordnung: "Hier darf man locker ein geschütztes Ökosystem aufs Spiel setzen", so die Rätin. Sie fand es "dreist", ein bestehendes Moorgebiet trockenzulegen: "Wo bleibt hier die Verhältnismäßigkeit?" Bohl vermutete sogar, dass die Landesregierung, "überall das Baden in öffentlichen Gewässern einschränken" will. "Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung mehr", so die Ankündigung von Bohl, die für eine weitere Amtsperiode bei den Kommunalwahlen nicht mehr kandidiert hatte.

Die Erhebungen des Ornithologen und Libellenforschers Karl Westermann, der Lebensräume und Populationen am Schlüchtsee mit seiner Frau Elisabeth seit mehr als 20 Jahren untersucht, zeigen, wie sensibel die Zusammenhänge in dem Naturschutzgebiet sind. Als besonders schützenswert bezeichnete er die Röhricht-Bereiche im abgetrennten Naturschutzgebiet. "In diesen Sekundargewässern sind dann auch Moorlibellen zu finden, die sehr selten geworden sind", erläuterte Westermann.

Geotechnisches Ingenieurbüro beauftragt

Bei seinen Besuchen habe sein Interesse auch der beginnenden Vermoorung gegolten. Er habe sich noch 2020 über den üppigen Bestand der Teichrosen gefreut, weil einige Libellenarten auf diese angewiesen seien. "Die Rosen bieten bei der Bepaarung den Rendezvous-Platz", hob der Experte damals im BZ-Gespräch hervor. Inzwischen gehören die See- und Teichrosen wegen Biberansiedelungen der Vergangenheit an. In seinem Buch "Die Moorlibellen des Südschwarzwalds" bezeichnete Westermann den Schlüchtsee als "bemerkenswertes Beispiel einer gut funktionierenden Koexistenz eines öffentlichen Bade- und Naherholungsbetriebs mit einer wertvollen Teichzone".

Auch der Baumbestand sei gefährdet

Zwischenzeitlich hat die Gemeinde Grafenhausen ein geotechnisches Ingenieurbüro mit der Untersuchung des Staudamms am Schlüchtsee beauftragt. An den Kosten wird sich nach Behringers Aussage auch der Eigentümer des Schlüchtsees, Freiherr Louis Ferdinand von Adelsheim von Ernest, zu einem Drittel beteiligen. Am Donnerstag wurden Vermessungen durchgeführt. Vom Landratsamt werde geprüft, ob die Ingenieurgruppe Geotechnik auch in der Lage sei, das Gutachten erstellen zu können. Angesichts dieser Information ging ein erheitertes Raunen durch die Reihen.

"Die Behörde muss das Ganze genehmigen", sagte der Rathauschef. Wie sich der Wasserstand auf den See auswirke, wurde dem Gemeinderat auf Bildern gezeigt. Gefährdet sei auch der Baumbestand im Uferbereich, der, so Behringer, kein Wasser mehr kriegen könne. Weiterhin wurde das Rettungsboot für einen Ernstfall in Richtung Wasser verlegt. Aus Sicherheitsgründen wurde auch das verankerte Floß im Schwimmbereich entfernt. Der Badebereich wurde durch Absperrungen klar eingegrenzt, vorhandenes Totholz aus dem Wasser geholt.

Gemeinde muss sich Anordnungen beugen

Angesichts der großen Gefahren für den gesamten Lebensraum regte Guido Strittmatter an, den Wasserstand zumindest ein weiteres Stück nach oben zu verschieben: "Der Damm wird sicherlich nicht plötzlich durchbrechen", meinte der Bürger. Auch könne der See dann wieder als Wasserreserve der Feuerwehr dienen. Hinzu komme der gesamte Moorbereich, der bei heißen Temperaturen stark durch Austrocknen gefährdet sei. "Eine Katastrophe für das ganze Ökosystem", lautete die gleichlautende Bewertung von Barbara Bohl und Guido Strittmatter.

Wie Grafenhausens Bürgermeister abschließend mitteilte, kann der Schlüchtsee gemäß Behördenauflage erst nach Vorliegen des Gutachtens gefahrlos aufgestaut werden. Unter Androhung eines hohen Bußgeldes müsse sich die Kommune den Anordnungen beugen. Verwundert zeigte sich Behringer auch über die Tatsache, dass die örtlichen Naturschützer vom NABU keine Stellung beziehen. Bisher hätten sich die Aktiven der Ortsgruppe sehr stark für den Schutz des Naturschutzgebietes im Bereich von Fauna und Flora, insbesondere für die verschiedenen Fledermauspopulationen, eingesetzt.

Ressort: Grafenhausen

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Kommentare (3)

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Helmut Pordzik

222 seit 29. Apr 2021

Typisch Deutsch könnte man diese Vorgänge nennen. Den Vogel abschießen tut die Ankündigung vom Landratsamt, das Ingenieurbüro zu überprüfen ob die Kompetenz da sei um ein Gutachten zu erstellen. Also ein Gutachten zu einem Gutachten vom Landratsamt. Es geht halt nix über das eigens in Auftrag gegebene Gutachten was gleich kommt wie bei den Sachverständigen wo es auch starke Streuung gibt. Hier wiehert der Amtsschimmel aber gewaltig. Würde man sich im Zoo befinden könnte man das Affentheater es nennen.

Thomas Wasmer

6 seit 16. Feb 2023

Das Vorgehen der Behörden in der Frage ist leider kein Einzelfall. Es wird im weiteren Verlauf der Schlücht und ihrer Zuflüsse die Stilllegung eines ehemaligen Mühlenteichs und dessen Zuflusses angeordnet, der seit weit über einhundert Jahren von einer Vielzahl von Arten aus Flora und
Fauna belebt wurde, angeblich weil die verbaute Staustufe (Beton?) die Qualität des Wassers schädige, wodurch wird nicht erklärt.
Ein Machtspiel zu Ungunsten des Schutzes von kleinen Biotopen?
Wie kann man sonst solche Anordnungen auf einem privaten Grundstück verstehen?
Bürgernähe und Dialog mit den Betroffenen sind nur noch Schlagworte vor Wahlen?
Was ist denn mit dem Verantwortlichen Leiter der Behörde, Herr Dr. Kistler?
Liberale Politik ist zweifelsfrei etwas
Schützenswertes!


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