Gesänge von archaischer Kraft

1300 Jahre Benediktinerabtei Gengenbach: Gregorianischer Gesang in Reinform hat zum Jubiläum ein großes Publikum in die katholische Stadtkirche St. Marien gelockt.  

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Christoph Hönerlage mit seinen 14 Sängerinnen und Sängern  | Foto: Juliana Eiland-Jung
Christoph Hönerlage mit seinen 14 Sängerinnen und Sängern Foto: Juliana Eiland-Jung
Schon am Vormittag hatten die beiden Gesangsensembles den Festgottesdienst zu 1300 Jahre Benediktinerabtei mitgestaltet. Ob die Abtei, die in der Folge der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelöst wurde, genau im Jahr 725 oder vielleicht doch ein paar Jahre später gegründet wurde, sei – trotz Jubiläumsjahr – gar nicht so wichtig, befand Bezirkskantor Matthias Degott in den einleitenden Worten zum gut einstündigen Konzert. Dass im Benediktinerkloster Gengenbach die in der Zeit zwischen 750 und 820 entstandenen fränkisch-karolingischen gregorianischen Choräle erklungen sind, ist jedenfalls sicher. Und einige davon erklingen bis heute auch in den normalen Gottesdiensten und nicht nur im Konzert.

Degott verweist auf die "archaische, elementare" Kraft dieser Gesänge aus der Frühzeit der verschrifteten Musik. Weil die Mönche anfingen, die zuvor nur mündlich überlieferten Gesänge zu notieren – anfangs noch ohne absolute Tonhöhe oder Zählrhythmen, ohne Taktstriche und durchweg einstimmig – sind sie bis heute erhalten.

Christoph Hönerlage ist seit 2016 Professor für Gregorianik an der Hochschule für katholische Kirchenmusik in Regensburg. Zuvor war er lange Jahre Dozent am erzbischöflichen Priesterseminar und an der Hochschule für Musik in Freiburg. Ein paar seiner Kompositionen finden sich im aktuellen katholischen Gesangbuch Gotteslob. In Freiburg hat Hönerlage die "Frauenschola Exsulta Sion" gegründet, in Regensburg dann die Männerschola Gregoriana Ratisbonensis. Beide Ensembles haben sich auf gregorianischen Gesang spezialisiert und präsentieren diesen in Reinform – eine Wohltat angesichts vieler Nachahmer des Genres, die weder musikalisch noch inhaltlich noch mit dem Original verbunden sind.

Hönerlage und seine insgesamt vierzehn Sängerinnen und Sänger zeigen schon dadurch, dass sie sich vor dem Konzert vor dem Altar verbeugen, dass sie die Verankerung des Gregorianischen Gesangs im christlichen Glauben ernst nehmen. Schließlich sind hier biblische Texte vertont, und zwar in einer zugleich intensiven, auf Wiederholung basierenden meditativen Stimmung, wie auch in der Unterordnung musikalischer Eigenständigkeit gegenüber dem Textinhalt. Wenn man so will, sind die gregorianischen Gesänge Sprechkunst mit Mitteln der Musik zur Ehre Gottes.

Da es keine Zählzeiten gibt, liegt der Fokus der Sängerinnen und Sänger ganz auf dem sehr geschmeidigen Dirigat Hönerlages. Und weil einstimmig und gelegentlich auch solistisch gesungen wird, kommt es sehr auf die Ausbildung eines charakteristischen Stimmtons an, auf Modulation und Artikulation. Beides gelingt den beiden fast durchgängig getrennt auftretenden Scholen hervorragend. Dass durch unterschiedliche Positionen im Kirchenraum immer wieder andere klangliche Effekte erzeugt werden, trägt mit zum überzeugenden Gesamteindruck des Konzerts bei. Als Brücke zur Jetzt-Zeit wirken abwechslungsreiche, zuweilen gar jazzige Orgelimprovisationen von Matthias Degott.

Am Ende ist das Publikum ebenso ergriffen wie begeistert und applaudiert minutenlang stehend.
Schlagworte: Matthias Degott, Christoph Hönerlage
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