Interview
Warum zahlreiche Restaurants im neuen Gault & Millau ihre Auszeichnungen verlieren
Am Montag erscheint der neue Gourmetführer Gault & Millau für Deutschland. 500 Restaurants verlieren ihre Kochmützen. "Das ist keine Bestrafung, im Gegenteil", sagt Chef-Tester Christoph Wirtz.
Mi, 25. Nov 2020, 15:02 Uhr
Gastronomie
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
BZ: Herr Wirtz, der Burda-Verlag hat im Mai die Lizenz für den deutschen Gault&Millau übernommen. Was ist neu?
Wirtz: Wir beschreiben und bewerten die 500 besten Restaurants Deutschlands nach dem bekannten, an den französischen Schulnoten orientierten System (von 1 bis 20, d. Red.). Darüber hinaus empfehlen wir künftig zusätzlich weitere 500 Adressen – ohne sie zu bepunkten.
BZ: Warum dieser Schritt?
Wirtz: Ich finde, Qualitätsgastronomie lässt sich mit einem Marathonlauf vergleichen. Bei dem geht es auch um Ausdauer, Leidenschaft und Hingabe. Kleinlichkeit ist da ab einem gewissen Punkt nicht mehr angebracht. Wer in der Spitze mitläuft, der hat es verdient, ganz exakt mit der Stoppuhr gemessen zu werden. Spätestens ab dem 500. Platz ist ein Vergleich der Zieleinlaufzeiten dann aber doch etwas nichtssagend.
BZ: Der Verlust der Kochmützen wird etliche Köche schmerzen, vielleicht sogar für Unverständnis und Unmut sorgen.
Wirtz: Von uns empfohlen zu werden ist nicht schlechter, als von uns bepunktet zu werden. Ursprünglich standen 11 Punkte im Gault&Millau mal für eine überdurchschnittlich gute Küche. Wenn Sie heute einem Koch 13 Punkte verleihen, hat der das Gefühl, eine schallende Ohrfeige verpasst zu bekommen. Muss man wirklich alle Restaurants im Lande mit der "Schwarzwaldstube" vergleichen? Wen wir als ausgezeichnete Empfehlung hervorheben, der kann sich damit schmücken.
BZ: Werden erneut der Sommelier, der Koch, der Gastgeber und der Aufsteiger des Jahres gekürt?
Wirtz: Daran hat sich nichts geändert. Es gibt zusätzlich in diesem Jahr einen Preis für das Lebenswerk.
BZ: In der Gourmetszene ist öfter die Rede vom "Casual Fine Dining", vom niederschwelligen Genuss.
Wirtz: Das ist mir das Allerwichtigste: Anspruch im kulinarischen Alltag! Wie oft besucht man denn im Jahresverlauf die absoluten Spitzenrestaurants? Und wie oft ein hervorragendes Wein-Bistro wie das Freiburger "Drexlers"?
BZ: Was gibt es für kulinarische Trends?
Wirtz: Die Zeit der klaren Marschrichtungen ist glücklicherweise vorbei. Es geht heute um Vielfalt und Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit spielen eine wichtige Rolle. Hinzukommen Einflüsse aus Japan, der spanischen Avantgarde, skandinavische Impulse. Immer wichtig bleibt die französische Klassik. Deutschland entwickelt sich mit rasanter Geschwindigkeit gastronomisch weiter, eine Freude! Besonders schön: Die Fixierung auf die "Edelprodukte" nimmt weiter ab. Blasses Kalbsfilet, Zuchtsteinbutt und Jakobsmuscheln aus der Lake haben gegen eine mürbe geschmorte Lammschulter, gegen kerniges Schweinefleisch mit dickem Fettrand – vom Hofgut Silva in Oberkirch! – einfach keine Chance.
BZ: Wie hat sich die Corona-Krise auf die "Haute Cuisine" ausgewirkt?
Wirtz: Einige Restaurants mussten schließen, anderen könnten folgen. Die meisten Köchinnen und Köche sind sehr kreativ mit der Situation umgegangen, Stichwort: Take-away-Menüs. Und die Gäste waren und sind solidarisch. Die Deutschen haben die Gastronomie als bereichernden Bestandteil ihres Lebens erkannt.
BZ: Wie sieht es in Baden aus?
Wirtz: Ein traditionsreicher Landstrich mit großartigem Angebot. Ich lebe ja nicht grundlos hier!
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ