Berlin gibt seine Geheimhaltung auf
Bundesregierung dokumentiert nun ihre Militärhilfe für die Ukraine im Internet / Der Union gehen die Lieferungen nicht schnell genug.
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. Knapp zwei Monate nach einem entsprechenden Bundestagsbeschluss hat Deutschland erstmals schwere Waffen an Kiew geliefert, die den Widerstand der ukrainischen Armee gegen die russischen Invasionstruppen unterstützen sollen. Der Übergabe der Panzerhaubitzen 2000 war eine mehrwöchige Ausbildung in Rheinland-Pfalz vorausgegangen. In dieser Zeit war Kanzler Olaf Scholz (SPD) dafür kritisiert worden, dass seine Regierung die Lieferung schwerer Waffen zwar immer wieder ankündige, aber nicht vollziehe. Nun setzt die Regierung auf mehr Transparenz – und will auch die Materialbeschaffung für die Bundeswehr beschleunigen.
Die Panzerhaubitze 2000 ist das modernste Artilleriegeschütz der Bundeswehr und kann mit Spezialmunition bis zu 40 Kilometer entfernte Ziele treffen. Anders als ein Kampfpanzer feuert sie keine Schüsse waagerecht ab, sondern in einem Winkel, der ihr erlaubt, auch geschützte feindliche Stellungen etwa hinter Hügeln anzugreifen. Insgesamt zwölf Stück davon hat die Ukraine erhalten – sieben aus der Bundesrepublik, fünf aus den Niederlanden.
Ein Beschluss, den die Bundesregierung am Dienstag fasste, soll ebenfalls ihre Solidarität mit der Ukraine dokumentieren. Entgegen der bisher aus Sicherheitsgründen als nötig erachteten Geheimhaltung entschied sie, eine Liste bereits erfolgter und noch geplanter Lieferungen zu veröffentlichen. Man orientiere sich dabei an der "Praxis unserer engsten Verbündeten, etwa der USA", so Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Viele der Waffen auf der Liste hatte unter anderem Scholz bereits öffentlich genannt. Interessant sind vor allem die genauen Zahlen und das Ausmaß ergänzender Ausrüstungsgegenstände. So ist etwa von 14 900 Panzerabwehrminen, 16 Millionen Schuss Handwaffenmunition oder 5300 Sprengladungen zu erfahren, aber auch von 353 Nachtsichtbrillen, 38 Laserentfernungsmessern oder 10 000 Schlafsäcken. Auf der Liste noch nicht durchgeführter Lieferungen finden sich neben den Gepard-Flugabwehrpanzern, den Mars-Mehrfachraketenwerfern, dem Luftverteidigungssystem Iris und dem Artillerieortungssystem Cobra auch Aufklärungsdrohnen, Truppentransporter, Antidrohnenkanonen und weitere Munition.
Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, begrüßte die Transparenz, beklagte aber generell die Lieferverzögerungen: "Beim genauen Hinsehen bleibt erschreckend, dass entscheidendes Material für die aktuelle kritischen Phase des Krieges zwar angekündigt, aber weiterhin nicht geliefert wurde." Der FDP-Verteidigungspolitiker Markus Faber sagte dagegen, nun sei "für jeden einsehbar, dass Deutschland liefert und wir dabei sind, die Zeitenwende umzusetzen."
Viele Lieferungen sind Industriebestellungen. Das Ausrüstungsdefizit der Bundeswehr selbst trat zuletzt offen zutage, als deren Führung hinsichtlich der Militärhilfe einräumen musste "blank" zu sein. Nun soll ein von der Regierung sogenanntes Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz, für das die Regierung am Dienstag einen Entwurf verabschiedete, für den schnellen Einsatz des eigens eingerichteten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens sorgen. "Jetzt ist Schluss mit Zögern und Zaudern", sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zum neuen Vergaberecht, das noch vor der Sommerpause den Bundestag passieren soll.
Kern ist eine Lockerung der Auftragsvergabe, deretwegen sich militärische Beschaffungen teils Jahre hinziehen. Künftig sollen Aufträge gebündelt und leichter im europäischen Verbund erteilt werden können. Auch wird das Sicherheitsinteresse "verstärkt Berücksichtigung finden", wie es in der Mitteilung von Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium heißt. Es wird im Zweifel höher gewertet.
"Nach Jahren der Vernachlässigung bauen wir nun bürokratische Hürden ab und tragen der Dramatik unserer Sicherheitssituation Rechnung", sagte der Liberale Faber. Lob kam auch von der Union, die sich das Gesetz selbst auf die Fahnen schreibt. "Dafür haben wir im Rahmen der Verhandlungen zum Sondervermögen gekämpft", sagte Hahn: "Unser aller Sicherheitsinteresse muss Vorrang vor bürokratischen Hürden und ausufernden Vergabeverfahren haben."
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