Berlin
"Kinder zum Olymp": Auszeichnung für elf muslimische Jugendliche aus Freiburg
Befreiende und berührende Gedichte: Elf muslimische Jugendliche aus Freiburg wurden gestern in Berlin beim Wettbewerb "Kinder zum Olymp" ausgezeichnet.
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Mit Rainer Maria Rilke fing es an. Als die Sozialpädagogin Barbara Davids den Dichter den elf muslimischen Jugendlichen in ihrer Gruppe vorstellte, waren die irritiert: Was sollten sie mit seinem Gedicht anfangen? Dann brachte sie "Der Panther" zum Weinen, Nachdenken – und dazu, selbst Gedichte zu schreiben. So gut, dass sie beim bundesweiten Wettbewerb "Kinder zum Olymp" der Kulturstiftung der Länder unter 730 Bewerbern gestern als eines von 29 ausgewählten Projekten in Berlin einen 1000-Euro-Preis bekamen – in der Sparte Literatur sind sie die Besten.
Genau da setzte das Schreiben an. Es führte sie dazu, Dinge in Worte zu fassen, über die sie bisher nicht sprechen konnten. So wie die Bilder von der Flucht aus dem Kosovo, die Nedmije Emini als Sechsjährige erlebte. Bedrückende Erfahrungen, die sie bisher still in sich verwahrte. Jetzt sind Gespräche in Gang gekommen, untereinander, in den Familien. Über die eigenen Gedichte und die der anderen. Der Vater von Nedmije Emini findet sich auch im Gedicht "Heimweh" von Armin Sahinovic wieder, er schreibt über seinen in Serbien ermordeten Großvater – und immer wieder den Satz: "Wenn jemand auf kleine Jungen schießt, das kann ich nicht aushalten."
Es geht in allen Texten um Erfahrungen, die zwar viele von ihnen machen, über die aber geschwiegen wird, sagt Zeinab Maatouk (17), deren Familie aus dem Libanon stammt. Ihr Gedicht "Vaters Ehre" handelt von einer jungen Muslimin, über die schlecht geredet wird, weil sie von zu Hause weggeht – und von einem Vater, der zu seiner Tochter steht. Für alle war das Schreiben ungewohnt. Bisher war ihr Ding das Filmen: bei den Filmprojekten mit Barbara Davids, die schon mehrere Preise gewonnen haben, zum Beispiel mit dem Film "Der fremde Bräutigam" über das Thema Zwangsheirat. Alle sind seit Jahren dabei, waren früher mal in der Hebelschule, sind Musliminnen und Muslime – und nach dem Schulabschluss einfach in der Filmgruppe geblieben, die unabhängig davon weiterging. Inzwischen suchen sie ihre Wege ins Arbeitsleben, Zeinab Maatouk plant eine Ausbildung zur Bäckereiverkäuferin, Nedmije Emini strebt mit einem Stipendium langfristig das Abitur und ein Sozialpädagogikstudium an.
Und jetzt sollten sie plötzlich Gedichte schreiben? "Ich dachte: Okay, ich versuch’s mal – und es kam ein blendendes Gedicht heraus", erzählt Zeinab Maatouk lachend. Doch es war harte Arbeit, ein Jahr hat das Projekt gedauert: Nicht nur das Schreiben und Immer-wieder-Überarbeiten, sondern auch das Vertonen und Sprechen der Gedichte auf eine CD, unterstützt vom Hörspielmacher Matthias Baumann, sowie das Illustrieren mit der Künstlerin Hilde Bauer. Bis Februar erarbeiten die Jugendlichen mit der Choreographin Anita Khozravi noch eine Bühnenfassung. Es sind viele Talente, die sie entfalten, entstanden sind Bilder und Texte, die intensive Gefühle ausdrücken und berühren. Wie sehr, zeigt die Auszeichnung auf Bundesebene, die alle stolz macht. Am wichtigsten aber ist, was Nedmije Emini so ausdrückt: "Früher war alles nur in mir drin. Nach dem Schreiben habe ich mich so befreit gefühlt."
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