In der Grabeskirche in Jerusalem ringen christliche Konfessionen um jeden Zentimeter: Katholiken, Griechisch-Orthodoxe, Armenier und Kopten. Es gibt eine Hausordnung von 1757, aber die ordnet eben auch nicht alles / Von Tilman Wörtz.
D ie Taube ist ocker-weiß gescheckt und schlank. So muss der Vogel ausgesehen haben, der Noah auf seiner langen Suche nach Land und Frieden den Zweig überbracht hat. Sie stößt sich von einem Steinsims ab, zieht ohne einen Flügelschlag weite Kreise unter der mächtigen Kuppel. Und kackt direkt auf den heiligsten Ort der Christenheit. Das macht sie jeden Tag. Zusammen mit den anderen. Man könnte sagen, dass die Tauben die einzigen sind, die sich um das Aussehen des Grabes Jesu Christi kümmern.
Zwei israelische Polizisten schlendern ins Halbdunkel der Grabeskirche. Sie tragen Pistolen an den Gürteln und haben Kaugummi im Mund. Warum Pistolen? Sie wundern sich über die Frage: "Das ist ein heiliger Ort!" Sie bewachen den ganzen Tag die Grabeskirche. Hinter dem Stein, auf dem Jesus Christus seine letzte Salbung erhielt, warten sie.
Es treten auf: Ein griechisch-orthodoxer Priester mit Zylinderhut und Guris Kapikian, 73. Der weiße Kinnbart und sein langes blaues Gewand weisen ihn als armenischen Bischof aus. Einer seiner Mönche ist über das Territorium ...