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Gaza

Zoo Chan Junis galt als der schlimmste der Welt

Der Zoo Chan Junis in Gaza galt als der schlimmste der Welt / Auf die Tiere wartet jetzt dank der Organisation Vier Pfoten ein besseres Leben im Ausland.  

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Tiger Lasis zieht um.  | Foto: Linda Struckl
Tiger Lasis zieht um. Foto: Linda Struckl
Ganz von allein ist Lasis, der Tiger, in die Transportbox getappt. Als ob er ahnte, dass sie ihn in ein besseres Leben befördern würde. Seine letzten Stunden im Gaza-Zoo Chan Junis döst er in der verriegelten Kiste, um die zur Sicherheit noch mal eine dicke Kette gelegt ist. Obenauf liegen Eisbrocken, ein vor die Luftlöcher gestellter Ventilator sorgt für zusätzliche Kühlung auf der ersten Etappe der mehrtägigen Reise in die geschützte Freiheit. Vor Kurzem ist Lasis in einer El-Al-Maschine in Johannesburg gelandet. Dort wird er "erstmals Gras unter seinen Tatzen spüren", malt Tierarzt Amir Khalil aus. Auf den Tiger wartet ein Paradies für Großkatzen in Südafrika, Lionsrock genannt.

Das Los des Tigers im Chan Junis Zoo, wo er die meiste Zeit auf dem Betonboden eines drei mal drei Meter großen Käfigs verbringen musste, war bitter. Seine Tigergefährtin starb während des Gaza-Krieges 2014, vermutlich an Auszehrung. 17 Tage lang, erzählt der Besitzer des Privatzoos, Siad Idiab Aweiba, ein vollleibiger Geschäftsmann, habe er damals aus Angst vor israelischen Luftangriffen die Tiere nicht versorgen können. Fast die Hälfte war am Ende tot. In einem Akt der Verzweiflung oder auch der Ignoranz ließ Aweiba einige seiner Prachtstücke, die er zumeist über die Schmuggeltunnel vom Sinai in den Gazastreifen für viel Geld importiert hatte, ausstopfen und in die Gehege stellen. Auch die frühere Gespielin von Lasis.

Das brachte den Gaza-Zoo als "schlimmsten der Welt" in die Schlagzeilen, rief aber auch die internationale Tierschutzorganisation Four Paws (Vier Pfoten) auf den Plan. Sie kam, half und beschloss in Kooperation mit dem Eigentümer eine dramatische Rettungsaktion: die Evakuierung eines ganzen Zoos, Kostenpunkt rund 40 000 Dollar, zusammengetragen durch Spenden. In dieser Woche ziehen die letzten 15 verbliebenen Tiere – fünf Affen, ein Emu, ein Pelikan, zwei Riesenschildkröten, zwei Stachelschweine, ein Bussardpärchen, ein Reh und ein Tiger – in eine neue, artgerechte Heimat um.

Nicht alle lassen sich so problemlos in die Frachtkisten bugsieren wie Tiger Lasis. Panisch rast eine Grüne Meerkatze am Gitter rauf und runter. Die Menge der Kamerateams und Schaulustigen wächst, was ihre Aufregung noch steigert. Das flinke Äffchen zu "darten", wie die Tierschützer sagen, es also mit einem Blasepfeil zu betäuben, erweist sich als echtes Kunststück. Es dauert, bis das Mittel wirkt und der Fänger es mit einer Decke schnappt. Nach erster Untersuchung kann Frank Göritz vom Berliner Leibniz-Institut für Zoologie, der das Vier-Pfoten-Team unterstützt, noch eine freudige Überraschung verkünden. Eine Meerkatze ist trächtig.

Trotz leichter Sedierung dreht das agile, zwei Meter große Emu durch, als es in die Kiste muss. Die Tierärzte und Helfer haben die Ruhe weg – allen voran Amir Khalil, ein Ägypter, der in Wien lebt und für Four Paws schon Tanzbären aus Rumänien befreit und voriges Jahr drei Löwenjungen aus Gaza geholt hat. Er kann auch mit Menschen – was sich bei dieser komplizierten Gaza-Aktion auszahlt: Ohne Fingerspitzengefühl bei der Koordinierung mit islamistischer Hamas, israelischem Militär sowie Veterinärbehörden und Grenzregiment in vier Ländern hätte sie nicht funktioniert. Und ohne Improvisationstalent auch nicht. In Ermangelung eines Gabelstaplers wird am Ende die schwere Tigerkiste auf ein Moped gehievt und dann zum Sattelschlepper gebracht. Noch eine Nacht müssen die Tiere, geparkt in ihren Boxen, auf der Ladefläche des Trucks, ausharren, bevor sie über den Grenzkontrollpunkt Eres ausreisen.

Die Affen toben sich künftig auf den Kletterbäumen einer israelischen Reha für Primaten aus, der Rest der Zoobewohner aus Chan Junis wird sich in einem Tierpark in Jordanien erholen – bis auf Lasis, die Raubkatze. Ioana Dungele, die Chefin der Wildtierabteilung von Vier Pfoten, wird Lasis nach Lionsrock begleiten, so wie sie es vielfach mit Großkatzen getan hat, die aus der Gefangenschaft entlassen wurden. "Es ist jedes Mal anders", sagt sie, "aber immer extrem emotional, so als ob man sein Kind zum ersten Mal laufen sieht." Zunächst muss sich Lasis umgewöhnen: an artgerechtes Futter zum Beispiel – in Gaza bekam er oft nur gefrorenes Hühnchen – und auch an das Löwengebrüll aus dem abgeschirmten Gehege. Aber irgendwann, hoffentlich bald, wird er in seinem eigenen, hektargroßen Freilauf in Südafrika herumtigern.

Ressort: Ausland

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