Fragen & Antworten
Wie kann der südbadische Weinbau seine Krise überwinden?
Verluste, Kosten, Konkurrenz: Die Weinwirtschaft in Südbaden befindet sich in einer ihrer größten Krisen. Was sind Ursachen und Auswege? BZ-Weinexperte Gerold Zink analysiert.
Mi, 30. Okt 2024, 10:03 Uhr
Südwest
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Die wirtschaftliche Lage fast aller Winzerbetriebe ist angespannt, in nicht wenigen Fällen sogar dramatisch. Meist sind die Kosten höher als die Erlöse. Das heißt, am Ende des Jahres bleibt nichts übrig, im Gegenteil, es muss sogar etwas von dem Ersparten genommen werden. Von 100 Weinbaubetrieben erzielen schätzungsweise noch zehn einen Gewinn, 30 denken ernsthaft über das Aufhören sofort oder in den nächsten zwei Jahren nach und 60 leben mehr schlecht als recht von der Substanz.
In Baden gibt es rund 14.000 Winzerinnen und Winzer. Knapp 70 Prozent der Rebfläche, die 15.700 Hektar beträgt, werden von 71 Winzergenossenschaften (WG) und etwa 30 Prozent von einigen hundert Weingütern und Erzeugergemeinschaften bewirtschaftet. Um über die Runden zu kommen und investieren zu können, sollten WG-Mitglieder zwischen 13.000 und 15.000 Euro je Hektar Rebfläche erhalten. Diesen Wert dürfte in Südbaden zurzeit kaum eine Genossenschaft ausbezahlen. Viele liegen unter 10.000 Euro je Hektar, manche nur bei 7000 Euro.
Damit einhergehend verlieren Rebflächen extrem an Wert. Wurden zum Beispiel im inneren Kaiserstuhl vor wenigen Jahren noch bis zu 20 Euro je Quadratmeter Rebfläche bezahlt, müssen Winzerinnen oder Winzer heute froh sein, wenn sie überhaupt noch einen Käufer finden, der drei bis fünf Euro je Quadratmeter überweist. Selbst Rebflächen, die pachtfrei angeboten werden, finden nicht immer einen Abnehmer. Dies führt gerade für Winzer, die ihre oft kleine Rente mit Einnahmen aus Verkauf oder Pacht aufbessern wollen, zu wirtschaftlich schwierigen Situationen. Banken akzeptieren Rebflächen nicht mehr als Sicherheiten. Mancher Kredit, der ausläuft, wird nur noch schwer finanzierbar sein.
Rebparzellen, die nahe an Naturschutzgebieten liegen, werden teilweise vom Land aufgekauft und in Wiesen umgewandelt. Dies ist aber nur ein kleiner Teil und kann nicht die große Lösung sein. Einige Rebstücke verwildern, was fatale Folgen für die Nachbargrundstücke haben kann, weil sich so Pilzkrankheiten und tierische Schädlinge leichter vermehren können. Hecken und Büsche breiten sich aus, was den Lebensraum seltener Pflanzen und Tiere einschränkt. Die Biodiversität geht zurück. Zudem verliert das Landschaftsbild an Attraktivität, was wiederum negative Folgen für den Tourismus haben kann, den die Weinwirtschaft so dringend braucht.
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Es gibt globale und hausgemachte Ursachen. Seit mehreren Jahrzehnten wird weltweit zu viel Wein erzeugt. 2023 zum Beispiel 16 Millionen Hektoliter mehr als getrunken wurde. Zum Vergleich: Eine durchschnittliche Ernte liegt in Deutschland unter zehn Millionen Hektolitern.
2017 wurden weltweit zudem noch 26 Millionen Hektoliter mehr verbraucht als 2023. Der Weinkonsum geht stark zurück und dieser Trend hält an. Zudem herrscht in keinem anderen Weinmarkt der Welt ein so großer Konkurrenzkampf wie in Deutschland. Es war absehbar, dass es irgendwann zum großen Knall kommt.
Der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation und die Sparsamkeit der Verbraucher haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Viele Menschen müssen oder wollen weniger Geld ausgeben. Wein ist ein Genussmittel, das man nicht zum Leben braucht. Dies spüren die Winzer deutlich. Außerdem werden oft günstigere Weine gekauft. Von diesen kommen viele aus dem Ausland. Die heimischen Winzer produzieren zu teuer. Hinzu kommt: Immer mehr Jüngere trinken weniger oder gar keinen Alkohol oder Mixgetränke ohne Wein. Die Baby-Boomer-Generation, die viel Wein konsumiert, kommt in die Jahre.
Für die Krise im badischen Weinbau sind auch hausgemachte Fehler verantwortlich. An erster Stelle ist zu nennen, dass viele bis heute noch nicht erkannt haben, dass es auf dem Markt gemeinsam besser geht als gegeneinander. Oft wird dem Nachbarn der Erfolg nicht gegönnt. Dies gilt sowohl für Winzergenossenschaften als auch für Weingüter. Es gibt in Baden keine gemeinsame Weinwerbung mehr, was die Krise noch verschärft. In anderen Weinbaugebieten funktionieren Zusammenarbeit und Austausch deutlich besser. Baden war einmal – was Qualität und Preise angeht – die Nummer eins in Deutschland. Diese Spitzenposition hat das südlichste deutsche Weinanbaugebiet längst verloren.
Dass die Kosten im Weinberg und im Keller meist höher sind als in anderen Weinbaugebieten, hat nicht nur mit der Topographie Südbadens zu tun. Viele Betriebe scheuen sich bis heute, auf neue Erziehungsformen von Reben, den Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten, den Tausch von Rebflächen sowie gemeinsame Maschinen und Abfüllanlagen mit Nachbarn zu setzen, um wertvolle Arbeitszeit und Kosten einzusparen.
Eine stärkere Orientierung am Markt ist zwingend notwendig. Geht der Weinkonsum zurück, muss auch die Rebfläche reduziert werden. 20 bis 30 Prozent in den nächsten zehn Jahren ist eine realistische Größe. Zudem müssen sich die Betriebe stärker an den Wünschen der Konsumenten ausrichten.
Sind Wein-Mix-Getränke gefragt, dann sollten auch mehrere südbadische Betriebe sie herstellen, ob sie das jetzt besonders prickelnd finden oder nicht. Dasselbe gilt für alkoholfreie Sekte und alkoholfreie Weine. Dieses Segment weist derzeit hohe Wachstumsraten auf. Schließlich gilt es, die Sortimente zu durchforsten und die Zahl der Produkte generell zu reduzieren.
Kooperationen sind ein weiterer Weg aus der Krise – beim Maschinenpark, bei der Abfüllung, beim Kauf von Kartonagen und Korken und auch im Marketing und Vertrieb. Schließlich muss Baden sein Profil schärfen und weiter die Qualität steigern. Der Kunde muss deutlicher wissen, wofür Baden im Weinbereich steht.
Weitere wichtige Punkte sind der Aufbau einer schlagkräftigen Werbung und mehr Anstrengungen im Export – ein Feld, das bislang extrem vernachlässigt wurde.
Das Fazit: Der badische Weinbau kann nur gestärkt aus der Krise hervorgehen, wenn die Probleme endlich offensiver – auch von Verbandsvertretern – benannt und zukunftsorientierte Lösungsvorschläge unterbreitet werden. Rasches und entschlossenes Handeln ist gefragt, damit die vielen engagierten und gut ausgebildeten jungen Winzerinnen und Winzer der Region noch eine Zukunft haben.
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