Integrationsfigur

Wie ein Pfälzer Auswanderer den Weihnachtsmann in die USA brachte

Vor 90 Jahren hat Coca-Cola den Weihnachtsmann eingeführt – und sich beim Pfälzer Auswanderer Thomas Nast bedient, der ihn schon 1860 zeichnete. Er schickte seinen Santa Claus sogar in den Krieg.  

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Nasts Santa Claus mit der typischen Pfeife des niederländischen Sinterclaas – eine Integrationsfigur für die europäischen Auswanderer nach Amerika. Foto: 1881 via www.imago-images.de
"Den Weihnachtsmann gibt es nicht", er sei nur zu "Werbezwecken" erfunden, sagte zuletzt der italienische Bischof Antonio Stagliano. Dabei hatte den Weihnachtsmann im 19. Jahrhundert der aus Landau in der Pfalz stammende Zeichner Thomas Nast (1840-1902) ersonnen. Bis ihn 1931 – vor 90 Jahren – Coca-Cola für die Werbung kaperte. Nasts dagegen schickte seinen Santa Claus sogar in den Bürgerkrieg in den Kampf gegen die Sklaverei. Peter Riesbeck sprach mit Christine Kohl-Langer, der Leiterin des Landauer Stadtarchivs, über die Freiheitsliebe und das Politische im Werk des Zeichners.

BZ: Frau Kohl-Langer, der aus Landau stammende Thomas Nast gilt als Erfinder des Weihnachtsmannes. 1863 reichte er beim Magazin "Harper’s Weekly" erstmals seinen knurrigen Santa Claus ein. Wie viel pfälzisches Brauchtum steckt in der Kunstfigur?
Kohl-Langer: Es gibt hier in der Pfalz in der Vorweihnachtszeit den "Pelznickel", einen knurrigen Alten, der Kinder belohnt. Das mag bei Nast sicherlich eine Rolle gespielt haben. Aber Nasts Figur geht weit darüber hinaus. Nasts Santa Claus ist eine echte europäische Integrationsfigur. Die lange Pfeife etwa kommt vom niederländischen Sinterklaas. Nast dockt also bewusst an bei einem protestantischen europäischen Auswanderermilieu in den USA.

BZ: Häufig wird Coca-Cola als Erfinder des Weihnachtsmanns genannt. Die Firma schickte die Figur 1931 erstmals in den Werbefeldzug. Hätte Thomas Nast diese Kommerzialisierung gefallen?
Kohl-Langer: Das Marketing hat Nasts Santa Claus weltweit popularisiert und berühmt gemacht. Auch die Kolorierung von rotem Pelz, Nerz und weißem Rauschebart stammen erst aus der Werbung.
1863 schickt Nast Santa Claus zu den Truppen der Nordstaaten, die im Bürgerkrieg gegen die Sklaverei kämpfen
Das hat das Bild des Santa Claus nachhaltig geprägt. Wer heute im Internet Santa Claus eingibt, wundert sich, wie viel Kitsch da angeboten wird. Der feine Zeichner Thomas Nast hätte das sicher nicht gewürdigt.

BZ: Wie ist Nast in den USA gelandet, wo er den Weihnachtsmann erfand?
Kohl-Langer: Thomas Nast kommt 1840 in Landau zur Welt, in der so genannten Roten Kaserne, die heute noch steht. Sein Vater war Militärmusiker, seine Mutter stammte aus dem Vorort Mörlheim. Sie machte sich 1846 mit Nast und seiner Schwester auf den Weg in die USA. Der Vater kam erst ein Jahr später nach. Eine Frau, allein mit ihren Kindern, auf dem Weg in die Emigration, das war durchaus wagemutig damals.

BZ: War die Flucht in den Wirren vor der Revolution von 1848/49 politisch motiviert?
Kohl-Langer: Nach allem, was wir wissen, handelt es sich bei den Nasts um Armutsmigration. Im 19. Jahrhundert sind mehr als 150 000 Menschen aus der Pfalz in die USA ausgewandert, die meisten aus wirtschaftlichen Gründen, etliche aber auch aus politischen Motiven, gerade nach der liberalen Revolution von 1848/49, die in Baden und der Pfalz viel Unterstützung fand. Der Name Palatines – englisch für Pfälzer – galt in den Vereinigten Staaten lange als Sammelbegriff für alle Auswanderer aus Deutschland.

BZ: Thomas Nast hatte es in der neuen Welt nicht leicht...
Kohl-Langer: Die Familie landete in New York, in einer Gegend, in der vornehmlich Familien aus der Pfalz wohnten. Politisch ging es da wohl immer zu. In der Schule hatte es Nast nicht leicht, sein zeichnerisches Talent wurde aber früh erkannt. 1855, als Nasts Vater starb, musste er dann zum Einkommen der Familie beitragen und fing bei einer Zeitschrift an: "Frank Leslie’s Illustrated Newspaper", später kam er zu "Harper’s Weekly" und trug mit zum Aufstieg des Magazins bei.
BZ: Nast gilt als Begründer der politischen Karikatur in den USA. Wie politisch ist eigentlich sein Santa Claus?
Kohl-Langer: Sehr. Nast war immer politisch. Seinen Santa Claus stellt er häufig in einem politischen Umfeld dar. 1863 besucht Santa Claus die Truppen der Nordstaaten, die im Bürgerkrieg gegen die Sklaverei kämpfen. Später schickt er die Figur in den US-Kongress, wo sie von zwei Abgeordneten grimmig mahnend Reformen einfordert, sonst erhielten sie keine Geschenke. Nast hat auch Esel und Elefanten erschaffen, bis heute die Symbole der Republikaner und Demokraten in den USA.

BZ: Alte, weiße Männer haben es nicht leicht in diesen Zeiten. Erfährt die Weihnachtsmannfigur heute Kritik?
Kohl-Langer: Santa Claus wird eher integrativ gesehen. Nast war politisch und hat sich für Freiheitsrechte eingesetzt, auch der Minderheiten in den USA. Wir machten 2020 eine Ausstellung in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin und waren überrascht, wie aussagekräftig seine Karikaturen heute noch sind – gerade mit Blick auf Donald Trump. Nast hat gegen Korruption gewettert und früh Fehlentwicklungen in der amerikanischen Demokratie vorausgeahnt.
Zur Person

Thomas Nast wird 1840 in Landau in der Pfalz geboren. Seine Familie wandert in die USA aus. Dort erlangt er als Zeichner Berühmtheit, Nast gilt als Begründer der politischen Karikatur in den USA. Als Mitarbeiter der Zeitschrift "Harper’s Weekly" entwirft Nast nicht nur die Figur des Weihnachtsmannes, er etabliert auch Esel und Elefant als Symbole für die beiden US-Parteien Demokraten und Republikaner. Theodore Roosevelt schickt ihn 1902 als Generalkonsul nach Ecuador, wo Nast im selben Jahr verstirbt. Zu seinem 120. Todestag plant die Stadt Landau 2022 eine große Ausstellung von Nasts politischen Zeichnungen.
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