Fragen und Antworten

Von Kita bis G9: Was Familien in Baden-Württemberg über die Bildungsreformen wissen müssen

Mit den Stimmen der grün-schwarzen Koalition beschließt der Landtag eine umfangreiche Änderung des Schulgesetzes. Dabei geht es etwa um Sprachförderung in Kitas, den Kompass-4-Test und den Werkrealschulabschluss.  

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Wie geht es nach der Grundschule weite...ehlung, Leistungstest und Elternwille.  | Foto: Marijan Murat (dpa)
Wie geht es nach der Grundschule weiter? Entscheidend sind künftig Lehrerempfehlung, Leistungstest und Elternwille. Foto: Marijan Murat (dpa)

Nach monatelangen Vorbereitungen hat der Landtag am Mittwochnachmittag eine Reihe von Änderungen des Schulgesetzes beschlossen. Damit kann die umfangreichste Reform des Bildungssystems in Baden-Württemberg der vergangenen zehn Jahre in Kraft treten. Was bedeuten die Neuerungen für Eltern und Kinder?

Was ändert sich in den Kitas?

Hier greift der Staat mit der Reform am tiefsten ein. Künftig gibt es verpflichtende Sprachfördermaßnahmen für Kindergartenkinder. Schon Vierjährige fallen unter das Schulgesetz. Hinter der Reform steht die wissenschaftlich fundierte Annahme, dass Bildungskarrieren lange vor der Schule beginnen – und deshalb bei Bedarf dann schon korrigierend eingegriffen werden muss. Dafür investiert Grün-Schwarz in den kommenden beiden Jahren 200 Millionen Euro, hinzu sollen noch 60 Millionen vom Bund kommen.

Die Abläufe sollen so aussehen: Wie bisher müssen Kinder rund zwei Jahre vor der Einschulung zur Einschulungsuntersuchung (ESU) beim Gesundheitsamt. Dort wird das vier- oder fünfjährige Kind getestet – auf Fitness, Motorik, Sprachstand und weitere Entwicklungsstände. Wird Förderbedarf festgestellt, wird Förderung angeboten oder auch – das ist neu – angeordnet: mit bis zu vier Wochenstunden verpflichtender Teilnahme in "Sprachfördergruppen". Das Programm läuft gerade an, die Teilnahme ist noch freiwillig. Die Gruppen sollen von 2027 an flächendeckend arbeiten. Dann soll das System auch verpflichtend werden. Über diese Intensivkurse hinaus soll es mehr Sprachförderung in Kitas geben. Noch ist unklar, ob es gelingt, genügend Personal zu finden.

Kinder, die bei der ESU aufgefallen sind, müssen im Jahr vor der regulären Einschulung erneut zur Untersuchung. Wird immer noch erheblicher Rückstand festgestellt, gibt es mehrere Möglichkeiten. Besteht ein sonderpädagogischer Förderbedarf, kann das Kind auf einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) eingeschult werden. Hat ein Kind noch Sprachförderbedarf, der Schularzt erwartet aber trotzdem eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht, wird es regulär eingeschult, bekommt aber in den ersten zwei Schuljahren zusätzliche Sprachförderung. Das gibt es so systematisch bisher nicht.

Was sind Juniorklassen?

Diese neuen Klassen sollen künftig Kinder besuchen, denen Ärzte nicht zutrauen, in regulären ersten Klassen erfolgreich zu sein – ob wegen sprachlicher oder anderer Förderbedarfe. Juniorklassen sollen von Herbst an starten und das bisherige System für Grundschulförderklassen ersetzen. Auch hier wächst das System schrittweise auf, die Landesregierung erwartet, dass es bis 2028 flächendeckend steht. Dann erst kann der Besuch der Juniorklasse verpflichtend werden. Bis zu Schuljahr 2028/2029 sollen dem Gesetzentwurf zufolge dafür landesweit 832 Standorte geschaffen werden.

Was ändert sich noch an Grundschulen?

Neben der Sprachförderung regelt die Reform etwa Datenerhebungen. Eltern und Kinder werden davon voraussichtlich nicht viel mitbekommen, aber das Bildungssystem im Land soll stärker anhand von Daten gesteuert werden. Dafür werden Rechtsgrundlagen geschaffen. Zudem wird der Übergang auf weiterführende Schulen neu geregelt und Elternrechte beschnitten. Bisher entschieden Familien souverän über die Wahl der weiterführenden Schule. Nun gilt das nicht mehr, falls es um eine Anmeldung am Gymnasium geht. Das neue Verfahren hat drei Komponenten: Empfehlung der Grundschule, Elternwille und der Leistungstest "Kompass 4". Stimmen zwei überein, gibt das den Ausschlag – gegebenenfalls auch gegen den Willen der Eltern. Sie haben im Konfliktfall aber noch eine Option: einen "Potenzialtest". Er soll am 18. Februar landesweit gleichzeitig geschrieben werden.

Die Elterninitiative G9 Jetzt hat viel...er auf neun Gymnasiumjahre zurückgeht.  | Foto: Marijan Murat (dpa)
Die Elterninitiative G9 Jetzt hat viel dazu beitragen, dass Baden-Württemberg wieder auf neun Gymnasiumjahre zurückgeht. Foto: Marijan Murat (dpa)

Um das gesamte neue Verfahren gab es zuletzt Auseinandersetzungen, weil der mathematische Teil von "Kompass 4" so anspruchsvoll war, dass nur wenige Kinder gymnasiales Niveau erreichten. Wie sich das auf die Übergangsquoten auswirkt, ist noch unklar. Kultusministerin Theresa Schopper und Ministerpräsident Kretschmann (beide Grüne) hatten zuvor der Einschätzung der Lehrergewerkschaft GEW zugestimmt, dass die Mathefragen zu schwierig gewesen seien und eine Überarbeitung der Fragen für das kommende Schuljahr angekündigt. Erste Auswertungen des Tests hatten laut Kultusministerium ergeben, dass nur sechs Prozent der Viertklässler in Mathe das Niveau für eine Gymnasialempfehlung erreicht hätten und nur rund acht Prozent das mittlere Niveau. 86 Prozent der Viertklässler erreichte demnach in Mathe nur eine Empfehlung für das grundlegende Niveau. In Deutsch fiel der Test besser aus.

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Was ändert sich an Werkrealschulen?

Die Reform ist potentiell vernichtend für die Schulart. Der Werkrealschulabschluss wird gestrichen, er soll in wenigen Jahren auslaufen. Wer von Herbst an eine Werkrealschule besucht, kann dort nur den Hauptschulabschluss machen. Das dürfte die Schulart, die zuletzt massiv Schüler verloren hat, weiter unter Druck setzen. Standorte stehen wegen Schülermangels vor dem Aus. Sie können sich aber in Verbünde mit Real- oder Gemeinschaftsschulen retten.

Was ändert sich an Realschulen?

Hier wird die Orientierungsphase von zwei Jahren auf eines verkürzt. In Klasse 5 lernen alle auf mittlerem Niveau, dann muss man sich entscheiden und auf ein Niveau festlegen: Strebt man den Haupt- oder Realschulabschluss an. Nun kann man auch am Ende der Klasse 5 sitzenbleiben.

Was ändert sich an Gemeinschaftsschulen?

Auf den ersten Blick werden sie gestärkt, erhalten zwei zusätzliche Wochenstunden je Zug. Auf den zweiten können manche Standorte Probleme bekommen, falls – wie von Beobachtern erwartet – das neue G9 leistungsstarke Schüler von Real- und Gemeinschaftsschulen an Gymnasien zieht. Denn davon hat die Gemeinschaftsschule ohnehin zu wenige.

Was ändert sich an Gymnasien?

Das Abitur soll nach neun Schuljahren wieder zum Standard werden und es gibt neue Fächer. Das Konzept der Kultusministerin sieht etwa eine Stärkung der naturwissenschaftlichen Fächer vor. Kompetenzen im Bereich Informatik, Künstliche Intelligenz und Medienbildung sollen Schüler und Schülerinnen künftig in einem eigenen Schulfach erlernen, das von Klasse 5 bis Klasse 11 durchgehend unterrichtet werden soll.

Zudem soll das neue neunjährige Gymnasium mehr berufliche Orientierung, mehr Demokratiebildung und auch einen stärkeren Fokus auf die Basiskompetenzen bekommen. Konkret sollen etwa in der fünften und sechsten Klasse die Fächer Deutsch und Mathematik gestärkt werden. Pro Woche werden Schüler weniger Unterricht haben. G8 kann es weiter als eigene Züge geben. Wie viele Schulen das machen, ist offen. Zusätzliche Ressourcen sollen sie dafür jedenfalls nicht bekommen.

Schlagworte: Theresa Schopper
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