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Polizeiberichterstattung

Warum nennen Medien oft die Herkunft von Straftätern nicht?

Ist ein Einbrecher Deutscher oder Ausländer? Spielt das eine Rolle – und müssen Medien die Nationalität von Straftätern nennen? Fragen, die feurige Facebook-Debatten auslösen – und wilde Medienschelte.  

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Wenn ein Mann in ein Haus einbricht – spielt dann eine Rolle, welchen Pass er hat? Foto: fotolia.com/bilderbox
"Ihr Pfeifen von der Lügenpresse, warum nennt ihr die Sippschaft nicht beim Namen?" So steht es in einer E-Mail zu einem Tötungsdelikt in Südbaden, die in der BZ-Redaktion eingegangen ist. Ein Einzelfall? Keineswegs. Wenn es um Verbrechen geht, liegen die Nerven blank. Und prompt kommen Anschuldigungen: Dass Täter zumeist Ausländer seien, dass sich Medien schützend vor kriminelle Migranten stellen würden – was so nicht stimmt. Dennoch werden Journalisten immer öfter mit dem Vorwurf konfrontiert, die Herkunft von Straftätern arglistig zu verschweigen. Warum?

Einheitlichkeit gibt es nicht – vieles ist Auslegungssache

Grundsätzlich ist es ein gesellschaftliches Phänomen: Im Windschatten von Pegida und Politikentfremdung gedeihen Verschwörungstheorien, in denen sich Menschen hintergangen fühlen von einem Konglomerat aus Parteien, Staatsorganen und einer sogenannten "Systempresse". Gleichzeitig ist es aber auch ein ganz spezifisches Problem der Kommunikationsbranche: Medien sind durch den Pressekodex dazu angehalten, mit der Herkunft von Straftätern zurückhaltend umzugehen. Doch das tun sie nicht immer.

Letztlich ist es immer eine Frage der Einschätzung: Spielt die Herkunft eines Täters bei einem Verbrechen eine Rolle? Ist sie wichtig, um das Geschehene zu verstehen? Liefert sie Hinweise, die bei der Aufklärung einer Straftat helfen könnten? Das ist oft Auslegungssache – und überhaupt: Die einen Journalisten halten sich penibel an den Pressekodex, die anderen gehen recht unbefangen mit Nationalitäten von Straftätern um. Auch in den Pressemeldungen von Polizei, Bundespolizei und Staatsanwaltschaft – die seit einigen Jahren im Internet stehen – gibt es keine klare Linie. Und so kommt es, wie es kommen muss: Das eine Medium spricht von einem Festgenommenen aus dem Land XY, das andere hält diese Information zurück. Zwei Versionen, nur einen Mausklick voneinander entfernt. Keine Frage: Das verwirrt. Und es macht die Presse angreifbar.

"Wir nennen die Nationalität nur dann, wenn es nötig ist und Sinn macht." Polizeisprecher Klose
Dabei sind es eigentlich hehre Ideale, die Journalisten leiten: Keine Vorurteile zu schüren, keine Pauschalisierungen zuzulassen, einen Menschen – und damit auch einen Straftäter – nach seinem Tun zu beurteilen und nicht nach seiner Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Das regelt der Pressekodex, der die Leitplanken für publizistisches Arbeiten vorgibt, ganz explizit mit Blick auf die Berichterstattung über Straftaten (siehe Infobox am Fuß des Artikels). Daran sollten sich Medien tunlichst halten. Ansonsten drohen Sanktionen des Deutsches Presserates, seit 1956 die ultimative Instanz der freiwilligen Selbstkontrolle der Printmedien. Keine Zeitung möchte sich eine Missbilligung oder gar eine öffentliche Rüge vom Presserat einfangen; das schadet dem Image, der Glaubwürdigkeit, dem guten Ruf.

Freiburger Polizei nennt Nationalitäten selten

Für Polizeisprecher gilt der Pressekodex nicht – auch wenn sie publizistisch tätig sind, seitdem sie ihre Pressemeldungen der Allgemeinheit zugänglich machen. So nennt etwa besonders die Bundespolizei häufig die Herkunft von Festgenommen, da es in ihrer Arbeit oft Berührungspunkte zum Ausländerrecht gibt. Und so hat es etwa für die Polizei Dortmund keine Konsequenzen, dass sie unlängst einen Einbrecher und Fahrraddieb als 35-jährigen Bulgaren beschrieb. Hätte dies eine Zeitung gemacht, so hätte ihr der Presserat womöglich auf die Finger geklopft – denn einen erkennbaren Mehrwert liefert die Nationalität des Täters in diesem Falle nicht.

Die Polizei in Südbaden – und generell in Baden-Württemberg – agiert in solchen Fällen allerdings weit zurückhaltender als etwa die Beamten in Dortmund. "Wir nennen die Nationalität nur dann, wenn es nötig ist und Sinn macht", erklärt Dirk Klose, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Freiburger Polizeipräsidiums. Klassisches Beispiel: Fahndungsaufrufe. Bei der Suche nach einem flüchtigen Tankstellenräuber spielt es fraglos eine Rolle, welche Hautfarbe ein Verdächtiger hat und ob er Alemannisch spricht oder Deutsch mit einer bestimmten ausländischen Färbung.

Oft sind es die Medien, die mehr wissen wollen

Zudem gibt es immer wieder Fälle, in denen Kenntnisse über Herkunft der Beteiligten helfen kann, um den Gesamtzusammenhang eine Straftat einzuordnen und zu verstehen: Bei der Überfallserie im Freiburger Stadtteil Stühlinger beispielsweise spielte die Provenienz der Täter als minderjährige Flüchtlinge aufgrund der spezifischen Systematik der Vorgänge eine Rolle – und auch für die Analyse und Aufarbeitung des Geschehens. Und Ehrenmorde im islamistischen Milieu mögen ein extremes, weil sehr seltenes Beispiel sein – gleichzeitig zeigt es aber auch die Grenzen auf: Es geht nicht nur um Staatsangehörigkeit, sondern auch um Religion, Migrationshintergrund, Kultur.

Oft sind es auch die Medien, die mehr Informationen wollen, als die Polizei preisgibt. Überhaupt weiß Polizeisprecher Klose von solcherlei Presseanfragen ein Lied zu singen – auch in Fällen, in denen die Nationalität für die Einordnung eines Verbrechens zweit- oder drittrangig ist . "Zigmal" hätten ihn Journalisten nach Herkunft und Hintergrund der Familie gefragt, in der der dreijährige Alessio in Lenzkirch ums Leben gekommen ist. Da aber ist die Herkunft der Familie nicht relevant.

Anderswo sind die Vorgaben für die Medienbranche weitaus laxer als in Deutschland – es werden vielfach mehr Details über Täter und auch Opfer veröffentlicht. In den Vereinigten Staaten trägt der Trend zur Transparenz bisweilen bizarre Züge. In vielen US-Bundesstaaten werden die Polizeibilder ("Mugshots") von Festgenommen ins Netz gestellt, ergänzt mit allen persönlichen Angaben. Egal, ob jemand alkoholisiert am Steuer war oder unter Mordverdacht steht: Er oder sie ist sofort stadtbekannt; die Rasse – in den USA oft ein ähnliches Politikum wie hier die Nationalität – ist ebenso erkennbar wie Adresse, Tätowierungen, Gewicht und Arbeitgeber. Ob ein solch schonungsloser Umgang mit persönlichen Daten den Menschen recht wäre, die auf Facebook gegen den Pressekodex wettern?
Hintergrund: Pressekodex

In der Richtlinie 12.1. im Kodex des Deutschen Presserates heißt es: "In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte."

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Ressort: Südwest

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