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Viele Kurden bangen um ihre Familien

Tausende demonstrieren in Deutschland – in Stuttgart gibt es Ausschreitungen / Indes geht Ankara hart gegen Kriegsgegner vor.  

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In Hamburg schwenkten am Samstag Tausende die Fahnen der YPG (kurdisch: Volksverteidigungseinheiten). Sie protestierten gegen den Einmarsch türkischer Truppen in syrischen Kurdengebieten. Foto: Axel Heimken (dpa)
Die Stimmung ist angespannt. Mit der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien wachsen die Befürchtungen, dass sich Konflikte zwischen Menschen mit türkischen und kurdischen Wurzeln auch in Deutschland entladen. Eine Eskalation sei nicht auszuschließen, sagt der Politikwissenschaftler und Türkeiexperte Burak Çopur. Die Mehrheit der geschätzten bundesweit bis zu 1,2 Million Kurdischstämmigen kommt aus der Türkei.

"Die Stimmung hierzulande kann man nicht isoliert von der politischen Entwicklung in der Türkei betrachten, die sich eins zu eins in Deutschland widerspiegelt", meint der Professor an der privaten Hochschule IUBH Dortmund. "Je nachdem, in welcher Länge und mit welcher Intensität die völkerrechtswidrige Invasion der Türkei in Nordsyrien andauert, werden auch die Polarisierung und die Konflikte zwischen Deutsch-Türken und Deutsch-Kurden zunehmen."

Vor allem aber herrscht Angst um Angehörige. "In unserer Gemeinde sind viele, die aus den kurdischen Gebieten in Syrien stammen. Fast alle haben dort Freunde, Familie, Nachbarn und sind jetzt in schrecklicher Sorge", erzählt Leylan Mela-Abdullah aus Siegen. Sie selbst bange um ihre Schwester und ihren Bruder mit drei Kindern. "Wenn wir telefonieren, höre ich die Bomben. Ich lebe und arbeite in Deutschland, aber ich fühle mich, als wäre ich mitten im Krieg", sagt die Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Siegen.

Mit Blick auf die Beziehung von Türken und Kurden hierzulande sagt Mela-Abdullah: "Der Hass steigt hoch, definitiv." Sie sieht die Lage so: "Während Kurden weinen und beten, dass die Invasion zu Ende geht, rufen türkische Ditib-Moschee-Gemeinden zum Gebet für Erdogans Sieg auf." Auch der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet von solchen Fällen in Ditib-Gemeinden, was der Bundesverband der Türkischen Islamischen Union (Ditib) zurückweist.

Proteste der Kurden gegen die türkische Offensive am Samstag verliefen meist friedlich, in Stuttgart allerdings gab es Ausschreitungen. In Köln hatten sich Schätzungen zufolge mehr als 10 000 Menschen einem Protestmarsch angeschlossen. 4000 Demonstranten waren es in Frankfurt, je 3000 in Hamburg und Hannover. Größere Kundgebungen fanden auch in Bremen, Berlin und Saarbrücken statt. In der Stuttgarter Innenstadt versammelten sich nach Angaben der Polizei am Nachmittag rund 1000 Menschen zu einer Kundgebung. Im Anschluss zogen die Teilnehmer weiter, wobei aus der Menge heraus Böller und Gegenstände auf Einsatzkräfte geworfen worden seien. Mehr als zwanzig Polizisten seien leicht verletzt worden, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart am Sonntag.

Derweil geht die türkische Justiz hart gegen Kritiker der Militäroperation im eigenen Land vor. Wie Innenminister Süleyman Soylu in Ankara mitteilte, hat die Staatsanwaltschaft die Festnahme von 121 Menschen angeordnet, die sich in sozialen Medien kritisch zu der Operation geäußert hatten. "Dies ist keine Invasion", sagte Innenminister Soylu. Wer davon spreche, begehe "Verrat." Die türkische Justiz habe bereits 500 Ermittlungsverfahren gegen Menschen eingeleitet, weil sie die "Operation Friedensquelle", wie der Einsatz offiziell heißt, "beleidigt" hätten, sagte Soylu. Die staatliche Rundfunk- und Fernsehaufsichtsbehörde RTÜK kündigte Zwangsmaßnahmen gegen Sender an, die kritisch über die Militäroperation berichten. "Wir werden keine Sendungen tolerieren, die dem Terrorismus dienen und unsere Bürger mit falschen Informationen irreführen", warnte die Behörde in einer schriftlichen Erklärung.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 14. Oktober 2019: PDF-Version herunterladen

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