Messstation Schauinsland
Tschernobyl vor 30 Jahren: Als die Wolke kam
Hartmut Sartorius war nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 30 Jahren Diensthabender in der Messstation auf dem Schauinsland /.
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Die unten warten eine Stunde, rufen nochmal oben an und Müller sagt: "Es steigt weiter." Sartorius ist ab dem Mittag der Diensthabende, der Diplomphysiker will eigentlich seine Familie zum 1. Mai mit auf den Berg nehmen. Aber als der Anruf kommt, sagt er zu seiner Frau: "Ihr bleibt daheim, es gibt Arbeit."
Wolfgang Weis, der Chef, fährt auf den Berg und wechselt Filter bei einer Pumpenapparatur der Messstation, um rauszufinden, was sie da für Nuklide aus der Luft gefischt haben. In der Rosastraße kommt der Filter unters Gammaspektrometer. Jod-131, Cäsium-134, Cäsium-137. Es gibt auch andernorts Messstationen, aber das kleine Freiburger Institut kann die Messung schnell auslesen. "Wir waren auch die Ersten, die in Bonn Daten gemeldet haben", vermutet der heute 70-jährige Sartorius. Sie werden am Mittwochnachmittag ins Lagezentrum des Innenministeriums geschickt.
Sartorius übernimmt den Dienst. "In der Nacht auf Donnerstag wurd’ ich mehrfach geweckt." Das Institut hat zwar schon einen Commodore-Rechner, aber die Daten werden analog aufgezeichnet. Der Schreiber schlägt Alarm, wenn er am oberen Ende der Skala ankommt. Die muss der Diensthabende öfter ändern. Die Werte steigen.
"Es wird einem schon anders", sagt der Physiker. Er hat alles präsent, bis hin zu den Uhrzeiten. "Klar, das war einschneidend." Das Maximum wird in der Nacht auf den 2. Mai erreicht. Sartorius’ Chef holt regelmäßig Filter ab und bringt ihm Tabak mit. Sonst ist die Verbindung das Telefon. Aber sie haben nur einen Apparat in der Rosastraße, und der ist besetzt.
Kurz nach dem Super-GAU sind alle verunsichert. Politiker sagen, dass keine Gefahr besteht, Ämter geben Warnungen aus. Schwangere haben Angst um ihre Babys, die Breisgaumilch schickt die Milch ins Labor. Es gibt Infos in Becquerel, Millirem und Mikrosievert, die BZ berichtet hoch und runter, die Leute rufen alle an, die Ahnung haben könnten, auch die Rosastraße. Sartorius hockt auf dem Berg und kommt nicht durch.
wurden ausgezählt
Es begann 1946 mit Experimenten zu kosmischer Strahlung und war Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Kernphysik, als Sartorius dazukam. "Wir haben Messgeräte entwickelt, die sind heute noch im Einsatz, natürlich modernisiert." Anfang der 80er wurde die Schließung diskutiert, erzählt er, weil sich kein Träger für Radioaktivität interessierte, schließlich übernahm sie das Bundesamt für Zivilschutz, zu dem sie gehören, als die Wolke über Freiburg zieht.
Die künstliche Aktivität geht nach dem 2. Mai runter. "Acht Tage konnte man mit dieser relativ einfachen Apparatur die künstlichen Betas in der Luft nachweisen." Den Apparat nennen die Forscher P3. "Es war halt die dritte Pumpe." Sie pumpt Luft durch einen Filter, über dem messen Detektoren "Alphas und Betas", die dann ausgezählt werden, erklärt Hartmut Sartorius. "Mittlerweile machen wir das am Rechner – ich sag’ immer noch wir." Vor fünf Jahren ist er in Rente gegangen, blieb aber in Kontakt mit den Kollegen und war auch interessiert, als sie kurz darauf Proben aus der Nähe von Fukushima im Labor für Edelgase untersuchten. Krypton-85 und Xenon-133 sind ein kleines Spezialgebiet von Hartmut Sartorius.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ