Trauer braucht einen Ort
Martina Schwager (epd)
Das pflegeleichte und manchmal anonyme Grab wird immer beliebter. Das passt allerdings nicht immer zu unserer Art zu trauern.
Der evangelische Theologe hat zahlreiche Essays und Bücher über Trauern, Tod und Abschiedsrituale geschrieben. Dem seit Jahren vorherrschenden Trend zu pflegeleichten und anonymen Grabstätten kann er nichts abgewinnen: "Trauer braucht einen Ort, den ich aufsuchen und an dem ich zum Beispiel am Geburtstag oder am Totensonntag auch etwas niederlegen kann."
Gerade im ersten Trauerjahr sei das wichtig. Er selbst habe das nach dem Tod seiner ersten Frau erlebt, sagt Dirschauer "Ich habe mit jedem Weg zum Grab die Beerdigung wiederholt. Der Tod will im wahrsten Sinne des Wortes begangen werden." Damit steht er gegen einen Trend, der seit Jahren ungebrochen ist. Immer mehr Menschen wollen für sich selbst oder ihre Angehörigen pflegeleichte und anonyme Grabstätten, sagt Markus Gebauer, zweiter Vorsitzender des Bestatterverbandes Niedersachsen. Zur Begründung hörten die Bestatter von alten Menschen häufig, sie wollten nach ihrem Tod niemandem zur Last fallen. Vielfach lebten die Kinder nicht dort, wo die Eltern bestattet würden. Die Alten fragten dann: "Wer soll mein Grab denn noch pflegen?"
Laut Verbraucherinitiative Aeternitas werden mittlerweile etwa 70 Prozent der Toten verbrannt. Ihre Urnen finden in Wandnischen in sogenannten Kolumbarien, in Gemeinschaftsgräbern unter der grünen Wiese, neben dem Baum auf dem Friedhof oder im Wald ihre letzte Ruhe. Vor allem die Zahl der Waldbestattungen nehme zu, sagt Gebauer. "Viele Menschen wollen sich dort begraben lassen, weil sie eine persönliche Beziehung zum Wald haben." Für Waldbesitzer sei das lohnend. Immer mehr beantragten die Zulassung für Waldbestattungen. So beherrschten nicht mehr nur die Firmen Friedwald und Ruheforst den Markt. Auch Seebestattungen erfreuten sich gerade an den Küsten wachsender Beliebtheit, sagt der Fachmann. Er findet die alternativen Formen okay, auch wenn er selbst den Friedhof bevorzugen würde. "Die Trauerkultur unterliegt eben wie vieles andere dem Wandel der Zeit", sagt Gebauer. Er respektiert die individuellen Wünsche seiner Kunden. Das gelte für Grabstätten ebenso wie für die Trauerfeier, bei der schon mal ein Motorrad oder eine Golfausrüstung die Halle schmücke. Manche Hinterbliebenen sagten ihm, sie seien eben keine Friedhofsgänger. "Wir stellen bei uns zu Hause ein Bild auf mit einer Kerze davor und denken dann an unseren Vater."
Dirschauer hält solche Aussagen für wenig ehrlich und nicht ausreichend durchdacht. Die meisten Menschen beschäftigten sich zu Lebzeiten nicht mit ihrem Tod und redeten auch in der Familie nicht darüber. Nach dem Tod werde die Bestattung unter Zeitdruck vielfach "gemanagt", viele wollten sich des Leichnams möglichst schnell entledigen.
Zeugnis gäben davon die Blumen und Kerzen vor Urnenwänden, auf Wiesen und an Bäumen. Sie würden dort abgelegt, obwohl es nicht erlaubt sei. "Für die Seebestatteten gibt es dann Erinnerungsfahrten und Gedenktafeln, weil die Angehörigen doch einen Anlaufpunkt brauchen." Bestattungen ganz ohne Grab erschwerten die Trauer, sagt Dirschauer: "Die Verstorbenen besuchen zu können, ist ein heilsames und geradezu therapeutisches Ritual."
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