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Im Dienst der Kirche

  • Nina Schmedding (KNA)

  • Mi, 18. September 2024
    APA

     

Anzeige Ein Mann will "von Menschen lernen, die nicht an Gott glauben" – und ergreift einen Beruf, der immer exotischer wird.

Nur wenige wollen es: Priester werden ...der der junge Mann auf dem Symbolbild.  | Foto: LIGHTFIELD STUDIOS (stock.adobe.com)
Nur wenige wollen es: Priester werden wie Harald Frank oder der junge Mann auf dem Symbolbild. Foto: LIGHTFIELD STUDIOS (stock.adobe.com)
Heiraten darf man nicht, Sex darf man auch nicht haben. Die Entscheidung, römisch-katholischer Priester zu werden, will wohl überlegt sein – nicht nur aus diesem Grund.

In diesem Jahr werden in Ostdeutschland nur zwei Männer zu katholischen Priestern geweiht. Einer von ihnen ist Harald Frank, im vorigen Leben IT-Spezialist und Motorradfahrer. Frank, heller Kapuzenpulli und brauner Backenbart, lächelt im Zoom-Interview ein wenig bei der Zölibatsfrage. Ihm komme in diesem Punkt sein Alter entgegen, sagt der 50-Jährige selbstironisch. "Mit Mitte 20 fällt einem so eine Entscheidung bestimmt schwerer." Für ihn jedenfalls sei das in seiner Jugend nicht infrage gekommen.

Dass er in seinem bisherigen Leben auch einmal verliebt gewesen ist, verbucht er als Pluspunkt für den neuen Job: Er kennt die Tücken einer Partnerschaft aus eigener Erfahrung, kann Menschen vielleicht besser helfen, die mit ihren Problemen zu ihm kommen.

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch wird Harald Frank in der Kirche Sankt Josef in Wedding zum katholischen Priester weihen. Dann wird der angehende Priester mit dem Gesicht zum Boden flach auf dem Fußboden des Gotteshauses liegen und sein weiteres Leben in den Dienst der Kirche stellen – so sieht es die Liturgie vor.

Priesteramtskandidat Frank ist in Deutschland eine fast exotische Ausnahme; auch bundesweit lassen sich seit Langem immer weniger weihen. Die jüngste Statistik der Deutschen Bischofskonferenz erfasste für das Jahr 2023 gerade einmal noch 38 Priesterweihen in den 27 (Erz-)Bistümern. 1962 waren es mehr als 500.

Warum will Frank Priester werden? Er wolle Menschen dabei helfen, so zu werden, "wie Gott uns gedacht hat", sagt der Geistliche in spe. Den Gedanken habe er das erste Mal mit zwölf gehabt, erinnert er sich an seine Kindheit im Württembergischen: "Wir haben als Kinder auch mal Messe gespielt." Mit seiner jetzigen Entscheidung hätten diese Erinnerungen aber nichts zu tun, stellt er klar. "Nur vielleicht insofern, dass mir die Kirche an sich schon sehr früh vertraut war."

Ein echtes Berufungserlebnis habe es bei ihm nicht gegeben. Eher sei der Gedanke an einen priesterlichen Berufsweg immer mal wieder in seinem Leben aufgetaucht, habe ihn irgendwie nicht losgelassen. Als er noch in der IT-Branche tätig war etwa. Damals verabschiedete sich ein bisheriger Kollege von ihm mit den Worten: "Und jetzt gehe ich Theologie studieren." Und er habe bei sich gedacht, dass das eigentlich für ihn auch etwas wäre.

Nach dem Abitur und einem BWL-Studium stieg er als IT-Fachmann für das Finanzwesen ein, verdiente gut, reiste viel. Dennoch vermisste er etwas. "Immer ging es ums Geld. Das hat bestimmt seine Berechtigung, aber ich dachte mir, dass es da doch noch mehr geben muss." Bei einer Projektarbeit in Burkina Faso habe er am meisten über seinen möglichen Weg als Priester nachgedacht. "Da sind mir gute Menschen als Gesprächspartner zur Seite gestellt worden – geistliche und weltliche. Man kann viel von Menschen lernen, die nicht an Gott glauben."

2015, mit 42 Jahren, änderte Frank die Richtung seines Lebens. Er wurde Priesterkandidat im Erzbistum Berlin, studierte Theologie. 2022 begann die dreijährige Berufseinführung. Seitdem ist er in einer Greifswalder Pfarrei eingesetzt.

Kennt er den Zweifel? Wird ihm manchmal mulmig, wenn er an Samstag, den Tag der Weihe, denkt? "Da g’hört auch amal eine schlaflose Nacht dazu", sagt Frank in gemütlichem Schwäbisch. Dass man als Katholik – ob Priester oder Kirchgänger – im Jahr 2024 bei vielen Menschen auf Unverständnis und Erstaunen stößt, nimmt er gelassen. Persönlich sei für ihn wichtig, "dass meine Schwestern und meine Mutter hinter mir und meiner Entscheidung stehen". Ihm sei es ohnehin lieber, wenn die Menschen die Kirche und ihren Glauben "anfragten" und kritisierten. "Da lernt man viel mehr, als wenn alle zu allem Ja und Amen sagen", findet er.

Sich auf den Sattel seiner Maschine schwingen, die Straße entlangbrausen, auch mal unbekannte Wege fahren: Das mag der Motorradfahrer Harald Frank. Zuversicht und Neugier – auch der Priester Frank wird diese Einstellung gebrauchen können.

Ressort: APA

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