Schöne Aussichten!
Wenn Mutter und Sohn gemeinsam auf Tour gehen, sollten Route, Ausrüstung und vor allem das Ziel stimmen.
Los geht’s in Todtnau, das hübsch eingebettet zwischen den höchsten Schwarzwaldbergen liegt. Doch noch ist der Belchen weit und erst einmal heißt es einfahren im fiessteilen Zickzack Richtung Knöpflesbrunnen. Noch möchte der Sohn auf seinen ersten Premieremetern mit E-Bike Batteriepower sparen, und recht gemütlich, aber nicht ganz unanstrengend, geht es mit Stufe eins von vier knackig bergauf, uff. Bald schon tauchen wir in dichten Wald ein, es riecht nach frisch eingelassenem Fichtennadelschaumbad. Dazu kommen Blumen und Kräuter am Wegesrand, die das reife Spätsommerduftpotpourri perfekt machen.
Nach einigem Kurbeln zieht sich der Waldvorhang auf, weit unten liegt Todtnau träge ausgestreckt in der Mittagssonne. Steil geht es weiter, aber bald darauf ist das erste Etappenziel, das Almgasthaus Knöpflesbrunnen, erreicht – zum Glück, der Magen knurrt wie ein misstrauischer Hund und bekommt von der Knöpfleküche die verdienten Streicheleinheiten. Frisch gestärkt geht’s danach an die Abfahrt, der Sohn rauscht davon, tschüss. Ich rolle hinterher, denn die vielen Höhenmeter wollen schließlich bewusst verschenkt werden, geht es doch von etwa 1100 auf rund 700 bergab. Beim kleinen Zinken Königshütte steht eine Straßenüberquerung an, dann rollen wir weiter, nun wieder gemeinsam und bergauf. Neben dem schmalen Fahrsträßchen rauscht ein Bach, der dem kleinen Weiler, der ein paar Kilometer später erreicht ist, seinen Namen gibt: Rollsbach.
"Ganz schön abgelegen", stellt der Sohn noch im Treten fest. Recht hat er. Die kleine Ortschaft mit einer Handvoll prächtiger Schwarzwaldhöfe liegt so versteckt, dass sie noch nicht einmal die gegnerischen Soldaten fanden und er deshalb während des Zweiten Weltkriegs von Plünderungen und Zerstörung verschont blieb. Zum Dank errichteten die Einwohner eine kleine Kapelle, die noch heute ihr Glöckchen läutet.
Doch im Moment ist es still, nur das Glockengebimmel der Kühe ist zu hören. Eine fette Wiesenlandschaft tut sich auf, dort können nicht nur Kühe, sondern auch Menschenblicke weiden: Erstere kauen zwischen Farn und unter einer schattenspendenden Tanne, und wir können uns kaum an den umliegenden Schwarzwaldbergen sattsehen. Mittlerweile kommen wir schon in Belchennähe und in Multen dann auf Teer.
Von der Talstation aus führt eine Straße zum Höchsten, eine autofreie dazu. Denn seit 2001 fahren nur die hübschen, quietschgelben Eigondeln der ehemaligen Expo-2000-Bahn nach oben – oder eben Radler wie wir. Allerdings: Naturfreunde auf zwei Räder sollten ab dem Belchenhaus – dem Naturschutz willen – die letzten Meter zu Fuß zurücklegen.
Und Hochgefühle gibt es dann auf dem wohl schönsten waldfreien Glatzkopf des Schwarzwalds so reichlich, dass die Endorphine Schuhplattler tanzen: In weiten Wellen liegt uns auf 1414 Metern der Schwarzwald zu Füßen, mit Tiefblick in die Rheinebene hinab und bis ins Elsass hinein. Zwar versteckt sich die Alpenkette heute hinter Dunst, doch unsere Stimmung bleibt davon ungetrübt.
Stattdessen halten sich die Glücksgefühle noch lange nach der Abfahrt, auf dem Weg übers Wiedener Eck und den Höhenkamm mit kleinen Aufs und Abs über Muggenbrunn nach Todtnau zurück. Und selbst dann noch, als wir wieder gut durchgelüftet und -gesonnt in den Niederungen ankommen, bleiben sie im Kopf, die schönen Aussichten – bestimmt bis zum nächsten Mal.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
die Kommentarfunktion ist aktuell geschlossen, es können keine neuen Kommentare veröffentlicht werden.
Öffnungszeiten der Kommentarfunktion:
Montag bis Sonntag 6:00 Uhr - 00:00 Uhr