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Bildungspolitik

Schlechtes Zeugnis für Baden-Württemberg

Die jüngste Bildungsstudie stellt der Schulpolitik im Land ein schlechtes Zeugnis aus / Kultusministerin Eisenmann hält an Ganztagsschule fest /.  

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  | Foto: dpa
Foto: dpa
Keiner der Vorgänger von Susanne Eisenmann im Amt des Kultusministers von Baden-Württemberg hat jemals ein vergleichbares Zeugnis in Empfang nehmen müssen wie jetzt die CDU-Politikerin. Benotet wurden Leistungen und Fehlleistungen der Schulpolitik im Südwesten – und die Zensuren fielen mies aus. Baden-Württemberg, in Tagen der internationalen Pisa-Vergleiche und der innerdeutschen Folgestudien noch Musterschüler in der Spitzengruppe mit Bayern, dann mit Sachsen und später mit Thüringen – das war einmal.

Jetzt ist das Land der große Verlierer beim aktuellen Zeugnistag für die Schulpolitik der Republik.

Während die Bemühungen der vergangenen Jahre um einen besseren Englischunterricht in allen anderen Ländern Früchte tragen und bessere Schülerleistungen erbracht haben, zeigen die Balkendiagramme der Bildungsforscher um die Berliner Professorin Petra Stanat für Baden-Württemberg in fast allen geprüften Disziplinen nach unten: In Deutsch erreichen beim Lesen und beim Hörverständnis signifikant weniger Schüler das mittlere Leistungsniveau. Beim Lesen sind es 46 Prozent – der Bundesdurchschnitt liegt bei 48,4 Prozent, Spitzenreiter Sachsen glänzt mit 58,5 Prozent.

Bei den leistungsschwachen Schülern, die den Mindeststandard im Lesen nicht erreichen, liegt der Bundesdurchschnitt bei 23,4 Prozent, in Baden-Württemberg gehört jeder vierte Neuntklässler (25,7 Prozent) dazu. Das ist eine relativ große Risikogruppe; denn richtig Lesen zu können, ist der Ausgangspunkt für jeglichen Bildungserfolg – und für jedes Bildungsversagen. Nur Hamburg (25,8), Berlin (30,8) und Bremen (36,9) haben noch größere Schüleranteile, die an den Mindestanforderungen scheitern. Auch in der Rechtschreibung liegt Baden-Württemberg leicht unter dem Bundesdurchschnitt – und weit hinter Bayern.

Beim Lesen und Zuhören in Englisch stagnieren die Schulen im Südwesten, während der Rest der Republik vorangekommen ist. Beim Lesen und Verstehen englischer Texte erreichen 39,2 Prozent das mittlere Kompetenzniveau – der Bundesdurchschnitt liegt bei 40,9 Prozent. Das Hörverständnis in Englisch liegt mit 42,8 Prozent ebenfalls leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 44,1 Prozent.

Das bedeutet in der Gesamtschau, dass Baden-Württemberg zwischen 2010 und 2015 von einem Spitzenplatz in den gemessenen Disziplinen in Deutsch auf Platz 12 im Lesen, Platz 14 beim Zuhören und Platz 10 in der Rechtschreibung gefallen ist und in Englisch beim Lesen Rang 7 und beim Hörverstehen Rang 8 belegt. Der Befund dürfte das Aufgabengebiet der erst seit wenigen Monaten amtierenden Kultusministerin Susanne Eisenmann zum zentralen landespolitischen Arbeitsfeld des Kabinetts von Ministerpräsident Winfried Kretschmann machen.

Viele Reformen haben viel Unruhe gebracht

Bei der Präsentation der Studie in Berlin lobte Eisenmann das Bildungsmonitoring als bewährtes Instrument und den aktuellen Bericht als wichtige Handreichung für die Länder. "Wir haben ein Qualitätsproblem an unseren Schulen", räumte sie für den Südwesten unumwunden ein. Zwar habe es seit einiger Zeit Anzeichen für leicht negative Trends gegeben. Aber um den aktuellen Befund versuchte sie gar nicht erst herumzureden: "Wir sind damit nicht zufrieden und werden mit Hochdruck, aber ohne Panik und Hektik reagieren." Zugleich machte sie klar: "Wir rütteln nicht an den 299 Gemeinschaftsschulen. Es wird keine weiteren Diskussionen über Schulstrukturen in Baden-Württemberg geben."

Bei aller Zurückhaltung bei politischen Schlussfolgerungen ließ sich Petra Stanat in ihren Erklärungen für das Abrutschen des Südwestens immerhin drei Hinweise entlocken: Erstens lohne es sich, die Qualität des Unterrichts in den Vordergrund zu stellen. Zweitens brächten Reformen – von denen gab es von der Einführung der Werkrealschulen bis zur Abschaffung der Grundschulempfehlung zuletzt viele in Baden-Württemberg – immer Unruhe in ein Schulsystem. Und drittens mahnte sie mit Blick auf Reformen der Schulstrukturen zu Zurückhaltung: "Man braucht schon sehr sehr gute Gründe dafür. Und einen langen Atem." Sie wird in den nächsten Wochen viel unterwegs sein, um die Ergebnisse in den Ländern detailliert zu erläutern. Eine ihrer ersten Reisen geht nach Stuttgart.

In einer ersten Reaktion hat der frühere Kultusminister Andreas Stoch (SPD) vor schnellen Schuldzuweisungen gewarnt. Das Ergebnis der Analyse müsse ernst genommen und sauber analysiert werden. Man sollte aber nicht in Hektik und Panik verfallen, sagte Stoch am Freitag in Stuttgart. Kritik, dass unter seiner Amtszeit der Leistungsgedanke in den Hintergrund rückte, wies er zurück. Den Schulen sei nicht verboten worden, Noten zu erteilen.

Zudem verwies Stoch darauf, dass Baden-Württemberg viele Jobs biete und damit auch Zuwanderer anziehe. Entsprechend nehme die Zahl von Kindern aus rein fremdsprachlichen Elternhäusern mit schlechteren Fähigkeiten beim Zuhören in Deutsch zu – ganz im Gegensatz zu den östlichen Bundesländern mit ihrem geringen Ausländeranteil.

Die GEW als größte Lehrergewerkschaft schlägt eine Enquête-Kommission zur Qualitätssicherung vor, kritisiert aber schon jetzt den Personalmangel in den Grundschulen: Hier bilde Baden-Württemberg mit 17,6 Schülern pro Lehrkraft das Schlusslicht im Ländervergleich.

Die Aufgaben finden Sie unter http://mehr.bz/iqb

Ressort: Südwest

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