Arbeitsmarkt

Eine Corona-Lücke im Lebenslauf muss kein Beinbruch sein

Viele junge Menschen in Südbaden warten in der Pandemie mit dem Start der Ausbildung ab. Personaler zeigen für begründete Brüche Verständnis. Sie geben Tipps, wie man damit umgehen sollte.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Bei Bewerbungen sind Lücken nicht trag...gal, ob sie mit Corona zusammenhängen.  | Foto: Christin Klose
Bei Bewerbungen sind Lücken nicht tragisch – egal, ob sie mit Corona zusammenhängen. Foto: Christin Klose
Online-Kurse, kaum Praktika und soziale Kontakte – Jugendliche haben es bei Berufsorientierung und Ausbildung in der Pandemie nicht leicht. Viele junge Menschen warten deshalb lieber ab, bevor sie eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. Eine Corona-Lücke in vielen Lebensläufen sehen südbadische Kammern und Personaler trotzdem nicht – und geben Tipps, wie man bei Bewerbungen mit Lücken umgehen sollte.

Viele warten lieber erst einmal ab

In Südbaden verzeichnen die Arbeitsagenturen deutlich mehr Ausbildungsstellen als Bewerbende. War der Markt 2010 mit 96 Bewerbenden auf 100 Ausbildungsstellen recht ausgeglichen, kämen aktuell auf 100 Stellen nur 63 Bewerbende, sagt Melanie Payer, Sprecherin der Lörracher Agentur. Die Zahlen für Freiburg und Offenburg sind ähnlich. Dieser Trend habe sich schon vor der Pandemie abgezeichnet, aber derzeit warten viele erst einmal ab, bevor sie eine Ausbildung beginnen, sagt Hanspeter Fakler, Sprecher in Freiburg. Viele wiederholten freiwillig das letzte Schuljahr oder absolvierten einen Freiwilligendienst.

Ähnliches gilt fürs Studium: "Etliche wollen mit einem Studienstart warten, bis sich die Corona-Situation entspannt hat", sagt Joerdis Damrath, Sprecherin der Hochschule Offenburg. Auch an der Freiburger Universität haben etwas weniger Menschen ein Studium begonnen, gut 5000 im Wintersemester 20/21 im Vergleich zu gut 5300 im Vorjahr. Wer schon studiert, brauche unter Umständen pandemiebedingt länger, etwa weil Auslandsaufenthalte schwieriger waren, sagt Sprecher Bastian Strauch. Viele Studierende hätten aber auch gelernt, flexibel und kreativ auf Unvorhergesehenes zu reagieren – was zum Pluspunkt auf dem Arbeitsmarkt werden könne.

An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Lörrach ist die Zahl der Studienanfänger um etwa zehn Prozent zurückgegangen, sagt Sprecher Florian Krüger. Im Einzelfall könne das zu Problemen führen, wenn sich junge Menschen "aus der erzwungenen Zurückgezogenheit heraus" eher schwertäten, aktiv zu werden. Dann könne eine Lücke im Lebenslauf entstehen, sagt Theresia Denzer-Urschel, Geschäftsführerin der Arbeitsagentur Offenburg.

Gefehlt hat die Orientierung

Ein Problem sehen die Arbeitsagenturen darin, dass Beratungsgespräche und Praktika nur eingeschränkt möglich waren. "Gerade die Einblicke in die berufliche Praxis über Praktika sind motivationsfördernd", sagt Payer. Wer schon vor der Pandemie eine intensivere Betreuung benötigt habe, leide stärker unter den Beschränkungen, ergänzt Fakler. Darüber hinaus gebe es einen Zusammenhang von gelungenem Berufsstart und erfolgreicher Erwerbsbiografie. "Wenn der Berufsstart misslingt, bedeutet das noch nicht zwangsläufig Lücken im späteren Lebenslauf", betont Fakler. "Aber die Risiken dafür steigen deutlich."

Abbrüche und Umorientierung

Ihre Ausbildung wegen Corona abgebrochen haben nur wenige. Im Zuständigkeitsbereich der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee haben mit etwa acht Prozent ähnlich viele Azubis abgebrochen wie in den vorherigen Jahren. Im Bezirk der Handwerkskammer Freiburg wie auch an der DHBW hat es in den Corona-Jahren sogar etwas weniger Abbrüche gegeben.

Eine vermehrte Umorientierung lässt sich eher bei bereits Berufstätigen feststellen – je nach Branche. Die Gastronomie, den Einzelhandel oder die Pflege, die von den pandemiebedingten Einschränkungen besonders betroffen sind, hätten einige Arbeitnehmende verlassen, sagt Payer von der Lörracher Arbeitsagentur. Bei Menschen, die sich corona-bedingt Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, steige zudem das Interesse an Weiterbildungen, sagt Simon Kaiser von der IHK Südlicher Oberrhein. Generell habe die Pandemie eher als Bremse für berufliche Veränderung gewirkt, weil viele das Risiko scheuten, betont Fakler.

Personaler haben Verständnis

Wer einen corona-bedingten Umbruch zu verzeichnen hat, kann auf Verständnis hoffen. "Kein Personaler nimmt es übel, wenn die Situation schwierig ist und der Berufseinstieg deshalb länger als gewöhnlich dauert", sagt Fakler. Grundsätzlich werde der "Generation Corona" viel Verständnis entgegengebracht, bestätigt Denzer-Urschel. Allerdings müssten Lücken nachvollziehbar und konkret begründet sein.

Auch Franziska Merkel, Personalerin der Sparkasse Lörrach-Rheinfelden mit 395 Mitarbeitenden, betont, eine Lücke sei für Personaler hinnehmbar – wenn sie begründet ist. "Ganz pauschal ist die Pandemie für mich keine nachvollziehbare Begründung." Ähnlich äußert sich Vizepersonalchef Thomas Egenter vom Sanitärtechnikhersteller Hansgrohe in Schiltach mit weltweit rund 4700 Mitarbeitenden. "Speziell ein Ausbildungsabbruch ist legitim, wenn die Auszubildenden feststellen, dass der Beruf nicht zu ihnen passt", sagt Birgit Friedlin, Recruiterin beim Versorger Energiedienst mit Sitz in Rheinfelden, der rund 1000 Menschen beschäftigt.

Ehrlichkeit und Lückenfüller

"Die Zeiten, in denen eine Lücke im Lebenslauf eine negative Wirkung hatte, sind längst gezählt", sagt Jan-Luca Bachmann, stellvertretender Personalchef des Europaparks mit 4450 Beschäftigten in der Saison. "Wir beschäftigen den Menschen, nicht den Lebenslauf." Dabei sollten Bewerbende aber ehrlich sein. Eine unverschuldete oder begründete Lücke im Lebenslauf spiele selten eine negative Rolle im Bewerbungsverfahren – egal ob die Lücke durch Corona entstanden ist oder nicht, sagt Handwerkskammerpräsident Johannes Ullrich.

Wichtig sei auch, Lücken mit Leben zu füllen, meint Payer, etwa durch Weiterbildung oder Ehrenamt. "Personaler sprechen Lücken gewöhnlich an", sagt Fakler. Geschickte Formulierungen könnten helfen, Lücken positiver aussehen zu lassen, etwa indem man die Weiterbildung während der Arbeitslosigkeit betont. "Lücken sind kein Beinbruch", betont Fakler. "Wir entwickeln uns hin zu einer immer dynamischeren Arbeitswelt mit mehr Übergängen – und in der Folge mehr Lücken."
PDF-Version herunterladen Fehler melden

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel