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Kindheit vor der Kamera: Wenn Kinder als Influencer Geld verdienen

Das Deutsche Kinderhilfswerk sieht in vielen Fällen eine neue Form von Kinderarbeit: Kinder-Influencer sorgen mitunter für das Einkommen der ganzen Familie.  

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Das Deutsche Kinderhilfswerk beobachtet die Tätigkeit der Kinder-Influencer mit Sorge. Foto: Jens Büttner (dpa)
Sie testen Spielzeug, Süßigkeiten und Pflegeprodukte. Bei der Geburtstagsfeier, im Park oder Freibad ist meistens die Kamera dabei. Hunderttausende folgen minderjährigen Influencern auf Youtube, Instagram und Tiktok durch deren Alltag. Ihre Videos und Fotos gehören zur Lebenswirklichkeit vieler Kinder und Jugendlicher in Deutschland. Kinderschützer allerdings sehen die Entwicklung mit Sorge.

Hinter der Kamera und den Accounts stehen oft die Eltern. Sie kümmern sich um die Bespielung der Kanäle und manchmal auch um die Verträge mit Unternehmen, die in den Videos ihre Produkte platzieren und dafür Geld bezahlen. Manche Familien bestreiten so ihren Lebensunterhalt. Zu den besonders beliebten Youtube-Kanälen in Deutschland zählen "Mileys Welt" mit 887 000 Abonnenten, "Alles Ava" mit 702 000 und "Mavie Noelle" mit 604 000 Abonnenten.

Das Deutsche Kinderhilfswerk beobachtet das wachsende Phänomen der Kinder-Influencer seit geraumer Zeit mit Sorge, in vielen Fällen sieht es eine neue Form von Kinderarbeit. Die Kinderrechtsorganisation fordert nun eine Anpassung des geltenden Jugendarbeitsschutzgesetzes an die Tätigkeit von Minderjährigen in den Sozialen Medien. "Es muss klar sein, dass die in Deutschland bestehenden Regeln zum Schutz von Kindern auch die Arbeit von Kindern im Internet umfasst", sagt Uwe Kamp, Sprecher des Deutschen Kinderhilfswerks.

Robert Henle, der mit seiner Frau und der zehnjährigen Tochter Miley den Youtube-Kanal "Mileys Welt" betreibt, findet den Vorwurf der Kinderarbeit nicht gerechtfertigt. "Kinder dürfen seit jeher arbeiten, aber streng begrenzt. Sonst gäbe es keine Kataloge mit abgebildeten Kindern und keine Kinder im Fernsehen oder Kino zu sehen", sagt er.

Seit 2017 arbeite die Familie auf eigenen Wunsch mit den Behörden zusammen: Kinderarzt, Schule, Jugendamt und Gewerbeaufsichtsamt seien eingebunden. "Wir müssen genau über die Drehtage und Drehzeiten Buch führen", erklärt Henle. Seine Tochter Miley habe nur in der reinen Drehzeit mit Youtube zu tun. Sie beschäftige sich weder mit dem Kanal noch mit den Kommentaren.

Henle zeigt sich überzeugt davon, dass seiner Tochter das Drehen Spaß macht. "Jemanden, egal wen, vor die Kamera zu zwingen, funktioniert nicht. Gerade Miley würde man das sofort anmerken", sagt er. Im Vergleich zu der Zeit, als beide Eltern im Schichtbetrieb tätig gewesen seien, stehe die Familie finanziell nun besser da. Außerdem verbrächten Eltern und Tochter sehr viel mehr Zeit miteinander.

Unter welchen Voraussetzungen Kinder und Jugendliche in Deutschland arbeiten dürfen, ist im Jugendarbeitsschutzgesetz geregelt. Die Beschäftigung von Kindern ist demnach grundsätzlich verboten. Ausnahmen können von den zuständigen Arbeitsschutzbehörden bewilligt werden. Nach den Beobachtungen des Deutschen Kinderhilfswerkes findet das Jugendarbeitsschutzgesetz bei Kinder-Influencern derzeit aber kaum Anwendung. Das Problem nach Ansicht der Kinderrechtsorganisation: "Arbeit von Kindern im Internet" taucht im Jugendarbeitsschutzgesetz nicht ausdrücklich auf. Das Kinderhilfswerk hält eine gesetzliche Nachjustierung deshalb für dringend notwendig. "Die Jugendämter brauchen klarere rechtliche Vorgaben, um ihrem Auftrag, dem Kinderschutz, besser nachkommen zu können", sagt Kamp.

Dem Bundesfamilienministerium liegen nach eigenen Angaben keine aktuellen Zahlen vor, wie viele Kinder-Influencer es in Deutschland gibt. Auch gebe es bislang keine strukturelle Unterstützung für Gewerbeaufsicht und Jugendämter zum Umgang mit Kinder-Influencern. In Frankreich wird derzeit ein Gesetzesentwurf diskutiert, der etwa Vorgaben zu Arbeitszeit und Einkommen von Influencern unter 16 Jahren beinhaltet.

Uwe Kamp bezweifelt, dass Eltern von Kinder-Influencern ihrer Rolle als Produzenten und Aufsichtspersonen gleichzeitig gerecht werden können. "Einerseits sind sie Produzenten, die ein tolles Produkt kreieren wollen, und andererseits Eltern, die auf ihre Kinder achtgeben sollten. Sowohl für die Eltern als auch die Kinder sei das eine"sehr missliche Lage".
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