Bildung im Südwesten
Kann freiwilliger Unterricht in den Ferien die Wissenslücken flicken?
Zwei Wochen Unterricht in Deutsch, Mathe und Sprachen sollen die Corona-Wissensdefizite begrenzen. Doch nur fünf Prozent der Schüler im Südwesten haben sich angemeldet. Und am Konzept gibt es Kritik.
Fr, 31. Jul 2020, 7:56 Uhr
Südwest
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Das Kultusministerium spricht von einem "großen Interesse an den Lern- und Förderkursen": Rund 61.500 Schüler nehmen an den 5030 Lernbrücken teil. Unterrichtet wird an rund 1900 allgemeinbildenden und 160 beruflichen Schulen. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg gehen 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche in öffentliche Schulen. Und Schulen gibt es 3840 im Land. Um die Kurse auf die Beine zu stellen, wurden Elternhäuser abtelefoniert, um gezielt Kinder mit Förderbedarf in die Lernbrücken zu holen. Auch Lehrkräfte mussten gefunden werden. 5100 (von 120.000 an öffentlichen Schulen) haben sich bereit erklärt. Zusätzlich wurden Referendare und Lehramtsanwärter rekrutiert.
Ein Blick in die Region zeigt: Angebot und Nachfrage variieren stark. An der Freiburger Adolf-Reichwein-Grundschule, einer Schule mit Kindern, die viel Unterstützung brauchen, wurden nach Auskunft von Schulleiter Johannes Schubert 80 schuleigene Kinder angemeldet, ein knappes Sechstel also. Man habe für das Angebot sehr getrommelt, sagt er. An Schuberts Schule werden zu den Kursen noch zehn weitere Kinder aus zwei anderen Freiburger Grundschulen kommen. Dort kam kein Lernangebot zustande.
Am Müllheimer Markgräfler-Gymnasium haben sich von 970 Schülern zehn gemeldet. Auch dort werden Schüler von außen aufgenommen, unter anderem aus dem rund 20 Kilometer entfernt liegenden Faust-Gymnasium in Staufen. Allerdings, so Schulleiter Andreas Gorgas, könne man nur ein Kursangebot in Mathe machen. Angebote in Deutsch oder Englisch habe man personell nicht umsetzen können. Ob das Angebot auch die erreiche, die es nötig hätten? "Einen Teil davon", sagt Gorges. "27 Schüler hätten wir gerne in den Lernbrücken gesehen."
Stimmungsbild: Das Interesse an der "Lernbrücke" im Dreisamtal ist ganz verschieden
Trotzdem wird das Konzept auch kritisiert: Pädagogen beklagen, dass die fürs Lernen so wichtige Schüler-Lehrer-Beziehung in dem Konzept nicht ausreichend berücksichtigt wird, denn in den – trotz Corona – schul- und klassengemischten Lernbrücken sitzen Fünftklässler neben Siebtklässlern und treffen auf Lehrkräfte, die sie wenig oder gar nicht kennen. Eine individuelle Förderung macht das schwierig. Zumal zwei Wochen knapp sind, um in einer so bunt gemischten Gruppe jede Lernlücke zu identifizieren und gezielt zu bearbeiten. Hinzu kommt, dass viele Schüler lange Schulwege in Kauf nehmen müssen.
Dass sich ein über vier Monate gewachsenes Wissensdefizit in zwei Wochen beheben lässt, ist unwahrscheinlich: "Um schwächere Schüler zu unterstützen, müssten den Schulen im kommenden Schuljahr weitere Förderstunden fest zugewiesen werden", wünscht sich Stephan Seizinger, Schulleiter der Lahrer Friedrichschule, eine Gemeinschaftsschule. Immer wieder wird auch kritisiert, dass die Lernbrücken nur auf Deutsch, Mathe und Sprachen beschränkt bleiben. Zu ernst, zu wenig motivierend. Schließlich sind Ferien.
In Bayern etwa werden in den Sommerferien nur freizeitpädagogische Angebote stattfinden – unter anderem auch um berufstätige Eltern zu entlasten. Zusätzlich wird es in den ersten Monaten des neuen Schuljahres flächendeckende Förderangebote geben – von Lehrern, die die Kinder kennen. In Sachsen-Anhalt wurden bereits in den Pfingstferien Lernangebote geschnürt. Alle Lehrkräfte, die sich nicht im Urlaub befanden, haben mitangepackt. Mit dem Ergebnis, dass 90 Prozent aller Schulen Ferienkurse angeboten haben. Rund 30 Prozent der Schüler, so die Info aus dem Ministerium für Bildung, hätten das Angebot wahrgenommen.
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