Isabel Zuber zeichnet immer weiter

Im Radbrunnen in Breisach entfaltet Isabel Zuber ihre Kunst in einem faszinierenden Zusammenspiel von Raum, Zeit und Musik. Ihre Zeichnungen wirken wie klingende Partituren.  3 min

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Künstlerin Isabel Zuber zeigt im Radbrunnen in Breisach Zeichnungen.  | Foto: Paul Klock
Künstlerin Isabel Zuber zeigt im Radbrunnen in Breisach Zeichnungen. Foto: Paul Klock
Die Sache ist diffiziler als sie aussieht. Isabel Zuber stellt sich mit schwarzer Kreide vor die weiße Wand und beginnt, beidhändig damit zu zeichnen. Linien, mal kürzer, mal länger, mal dünner, mal dicker. Der Rhythmus ist frei wie beim Free Jazz, das Ende kommt plötzlich. Ist das Bild fertig, gönnt sich die Künstlerin eine Pause. Oder ist die Energie erschöpft? Ganz gleich, was den Schöpfungsakt beendet hat, ist das fertige Bild nur der Vorgänger für das nächste. Denn Isabel Zuber zeichnet um ihr Leben, dramatisch ausgedrückt. Oder in einem immerwährenden Prozess, prosaisch ausgedrückt. In diesem Fall tat sie das jedoch nur für die Vernissage zu ihrer Ausstellung im Radbrunnen in Breisach. Die Parameter ihrer künstlerischen Arbeit gehen über den graphischen oder malerischen Ausdruck hinaus. Zeit spielt eine Rolle, Raum ebenso – und vor allem Musik. Sehen doch viele der Zeichnungen aus wie eine Partitur. Linie um Linie arbeitet sie sich von links nach rechts, von oben nach unten. Eine Musik aus Rhythmen, Wiederholungen, Crescendi und Cluster, die allein der Blick der Betrachter zum Klingen bringt.

Die Sache ist nämlich auch für den Betrachter diffizil. Er muss sich in die Zeichnungen hinein versenken, die Brüche entdecken, den Rhythmus spüren, die Liniensaiten zum Klingen bringen. Dabei helfen ihm akzentuierte Elemente, Gegenstriche, Kontraste und scheinbar leere Flächen. Man fühlt sich an die Musik eines Steve Reich oder John Cage erinnert, die endlos dahin zu fließen scheint, in der die Wiederholung Ereignisse bildet, Muster und Wechsel sich in der Wiederholung verlieren.

Daneben gibt es noch eine ganz andere Seite: die des Raums. Auf einer Arbeit krümmt sich durch die Veränderung einer Linie der Raum, als würde sich eine Gravitation bemerkbar machen. Aus dem Ausscheren eines linearen Verlaufs wird ein Wurmloch, um in der Sprache des Science-Fiction zu sprechen. Keine Frage: Diese Unregelmäßigkeit zieht einen direkt in das Bild hinein. Saugt den Blick an – und plötzlich ist alles anders. Ist der Gedanke dieser Beobachtung gefasst, gibt es daran keinen Zweifel mehr. Zeit und Raum verschränken sich nach den Gesetzen der Physik. Einstein goes Kunst, sozusagen.

Das erfordert Zeit. Auch von der Art, welche die Künstlerin selbst vor der Wand oder dem Zeichenpapier oder welcher Oberfläche auch immer verbringt. Man muss sozusagen in die Produktionsweise mit einsteigen, um erlebbar zu machen, worauf die Künstlerin abzielt. Sich dem Ereignis hingeben, als geschähe es ganz automatisch. Als stünde gar niemand vor dem Bildträger, als geschehe es einfach: "Undoing" (englisch für Rückgängig machen). Neben den endlos erscheinenden "Linienbildern" gibt es eine ganze Menge anderer Muster, die dennoch dasselbe Merkmal tragen. Und dann tauchen in anderen Arbeiten monochrome ikonenhafte graue bis schwarze Flächen auf, deren Schattierungen den Blick festhalten und ihn gleichzeitig in Bewegung setzen.

Bei der eingangs erwähnten Performance zu Beginn der Vernissage begann Isabel Zuber die Zeichnung teilweise wieder abzutragen, so dass die Wand in ihrer ursprünglichen Oberfläche wieder durchzuscheinen begann. Vergangenes leuchtete wieder auf, während sich auf dem Boden die Kohlereste sammelten. Isabel Zuber mag es, sich mit dem Raum auseinanderzusetzen, ihm einerseits etwas abzuringen und andererseits dazuzugeben. So hat sie auch schon ganze Ausstellungsräume bearbeitet und auf Zeit in Besitz genommen. Kunstwerke mit Verfallsdatum sozusagen.

Die Ausstellung im Radbrunnen ist bis zum 18. Mai zu folgenden Zeiten zu sehen: Freitag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr, außerdem am 1. Mai zur selben Zeit.
Schlagworte: Isabel Zuber, John Cage, Steve Reich
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