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Immer bereit sein, für die Opfer zu sprechen

Am Volkstrauertag sind im Rahmen der städtischen Gedenkfeier in Lahr Auszüge aus dem Theaterstück "Erinnern ist nicht genug" gezeigt worden. Am Donnerstagabend wurde in Kippenheim das gesamte Stück aufgeführt.  

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In kürzester Zeit haben Jugendliche au...n ist nicht genug“ einstudiert.   | Foto: Juliana Eiland-Jung
In kürzester Zeit haben Jugendliche aus mehreren Schulen das Stück „Erinnern ist nicht genug“ einstudiert. Foto: Juliana Eiland-Jung
Es geht um die Lebensgeschichte der in Kippenheim geborenen Jüdin Hedy Epstein, geborene Wachenheim – und doch um viel mehr. Epstein hat als Lehre aus dem Schicksal ihrer Familie im Nationalsozialismus nicht nur die Pflicht zur Erinnerung gezogen, sondern sich politisch aktiv in aktuelle Debatten in ihrer neuen Heimat USA eingebracht. Epstein wurde zur Bürgerrechtlerin, die sich gegen Rassismus und für Flüchtlingsrechte einsetzte. Das nur gut halbstündige Theaterstück schlägt in zahlreichen kurzen Szenen eine "Brücke" zum Heute. Geschrieben wurde es von der früheren Theater-AG-Leiterin des Max-Planck-Gymnasiums, Andrea Welz. Wobei fast der gesamte Text Originalzitate von Hedy Epstein oder ihren Eltern sind, so wie sie in den Briefen und in der im Jahr 1999 erschienenen Autobiografie Epsteins nachzulesen sind. Hinzu kommt ein "Refrain" aus Hannah Arendts 1943 erschienenem Essay "Wir Flüchtlinge".

In kürzester Zeit haben 19 Jugendliche aus dem Max-Planck-Gymnasium, dem Scheffel-Gymnasium, dem Clara-Schumann-Gymnasium und der Freien Evangelischen Schule unter der Regie von Antje Gißler (Scheffel) und Andrea Welz das Stück einstudiert. Dennoch gelingt es, eine intensive und konzentrierte Bühnenpräsenz aufzubauen, die choreografisch die Gruppen- und Familienszenen abbildet. Die Rolle der Hedy ist auf vier Schauspielerinnen aufgeteilt, erkennbar an weißen Blusen. Alle anderen Figuren sind ebenfalls nur an der Kleidung zu erkennen und – außer Mutter und Vater – von eher scherenschnitthafter Austauschbarkeit geprägt. So war es, als in Kippenheim die Juden abgeholt wurden: Man schaute weg. So war (und ist es), wenn Flüchtlinge um Aufnahme bitten: Man wehrt ab, aus Sorge um Arbeitsplätze und Wohlstand. Dass viele sich mitschuldig gemacht haben nicht nur als aktive Nazis, sondern auch durch Nichtstun, wird in der Inszenierung immer wieder deutlich.

Hedy Epstein hat – als Einzige aus ihrer Familie – den Holocaust überlebt, weil ihre Eltern die 15-jährige 1939 in einen Zug nach England setzten. Der Vater war 1938 wochenlang in Dachau interniert gewesen, Vater und Mutter wurden 1940 zunächst nach Gurs und 1942 nach Auschwitz deportiert. In ihren Briefen schildern die beiden immer wieder die Bemühungen, in die USA auswandern zu können. Nirgends bekommen sie eine Einreisegenehmigung. Hedy sucht nach dem Ende des Krieges nach ihnen, wandert schließlich 1948 selbst in die USA aus.

Ihr Credo, dass man immer bereit sein muss, für die Opfer zu sprechen, durchzieht das Stück wie ein Memento. Und auch Hannah Arendts eindringlicher Text, der die eigenen Exilerfahrungen spiegelt: Nicht Flüchtlinge, sondern "Neuankömmlinge" seien sie, die ihr Zuhause, ihren Beruf, ihre Sprache verloren haben. Hedy Epstein hat überlebt und ist nicht nur Zeitzeugin geworden, sondern jemand, der sich politisch engagierte. Denn Erinnern ist eben nicht genug. Für die Botschaft des Stückes und die Leistung der Theatertruppe gab es in der voll besetzten ehemaligen Synagoge in Kippenheim lang anhaltenden Applaus.

Ressort: Kippenheim

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 25. November 2024: PDF-Version herunterladen

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