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Im Eiltempo zu Beitrittsgesprächen

Die EU will Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau beginnen. Auch die meisten anderen Aspiranten erhalten gute Noten. Die Gespräche mit der Türkei allerdings sind festgefahren.  

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Trafen sich vor wenigen Tagen in Kiew: Ursula von der Leyen und Wolodymyr Selenskyj Foto: Philipp von Ditfurth (dpa)
Wärme und Willkommensworte sind Ursula von der Leyens Spezialität. "Unsere Nachbarn müssen sich entscheiden, wohin sie gehen wollen", sagte sie gestern, als die Fortschrittsberichte der um EU-Beitritt bemühten Länder veröffentlicht wurden. "Georgien, die Ukraine und Moldawien haben sich entschieden. Die erreichten Reformen sind eindrucksvoll. Wir wissen, dass diese Länder ein Teil unserer europäischen Familie sind. Dieses Momentum sollte genutzt werden." Die Kommissionspräsidentin scheint keinen Zweifel zu haben, dass die Regierungen Mitte Dezember der Kommissionsempfehlung folgen, den Start der Beitrittsgespräche mit der Ukraine und der Republik Moldau (so der offizielle Titel des Landes) beschließen und Georgien Kandidatenstatus gewähren werden.

Auf die Frage, ob Verhandlungen mit einem im Krieg befindlichen Land wirklich sinnvoll seien und nicht eine sich unendlich dehnende Verhandlungszeit wie mit der Türkei daraus erwachsen könne, antwortete sie: "Bereits vor zehn Jahren, zu Beginn der Maidanproteste, haben die Menschen in der Ukraine sehr deutlich gemacht, dass es ihr größter Wunsch ist, der EU beizutreten." Auch dafür kämpfe die Bevölkerung. Bei der Korruptionsbekämpfung und der Stärkung des demokratischen Systems seien große Fortschritte gemacht worden. "Ich bin der festen Überzeugung, unsere Entscheidung ist auch eine Stärkung im Angriffskrieg, ein klares Signal der Unterstützung."

Mehr als 90 Prozent der Auflagen, die im letzten Jahr von der EU gemacht wurden, sind laut Kommissionsangaben erfüllt. Vor Verhandlungsbeginn bleibe nur noch wenig zu tun. So müsse die Antikorruptionsbehörde auf 1000 Personen aufgestockt, der Einfluss von Oligarchen auf die Gesetzgebung zurückgedrängt und der Minderheitenschutz gestärkt werden. Kinder aus rumänischen, bulgarischen oder ungarischen Gemeinschaften müssten Zugang zu muttersprachlichem Unterricht bekommen, Amtsverkehr in diesen Sprachen möglich sein, ohne dass dadurch die staatliche Einheit untergraben werde. Mit der Rolle der russischen Sprache in der Ukraine werde sich die EU-Kommission ausdrücklich nicht befassen.

Diese Haltung dürfte sich spätestens nach einem EU-Beitritt nicht mehr durchhalten lassen. Denn im Rahmen der europäischen Gesetze können sämtliche Minderheiten bestimmte Rechte in Anspruch nehmen – ganz egal ob sie die Sprache des Aggressors sprechen oder ein anderes Idiom. Das weiß man natürlich auch in der Brüsseler Behörde, wo man keine Nachhilfe in Sachen Antidiskriminierungsrichtlinie braucht. Aber wer in Kriegszeiten ein Zeichen setzen möchte, wirft offensichtlich auch eiserne Grundsätze vorübergehend über Bord.

Einmal im Jahr verteilt die EU-Kommission Noten an diejenigen Nachbarn, die der Gemeinschaft beitreten möchten. In diesem Prozess gibt es verschiedene Stufen, die vor allem dem Zweck dienen, Lob und Tadel zu auszusprechen, Entwicklungen zu beschleunigen und möglichst viele Zwischenschritte einzuführen, bis sich die EU tatsächlich der nächsten Erweiterungsrunde stellen muss.

Das Kosovo zum Beispiel möchte gerne unter das europäische Dach, hat aber noch nicht einmal Kandidatenstatus. Das liegt unter anderem daran, dass es nicht von allen europäischen Ländern als unabhängig anerkannt wird. Auf diese Tatsache hat das Miniland keinerlei Einfluss. Entsprechend groß ist der Frust. Serbien ist zwar Beitrittskandidat, zündelt aber im Kosovo und fährt einen prorussischen Kurs. Deshalb wurden mögliche Verhandlungen am Mittwoch erneut verschoben. Georgien kann sich immerhin freuen, nun Kandidatenstatus zu genießen. Das aber bedeutet nicht viel. Albanien benötigte danach noch sechs Jahre, bis die Verhandlungen endlich starteten.

Zumindest aus deutscher und französischer Sicht muss die Europäische Union sich ohnehin intern reformieren, bevor sie neue Mitglieder überhaupt verkraften kann. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht das vermutlich ebenso. Gestern wurde sie aber von ihrem Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi mit der Aussage überrascht, es gebe zwischen einer EU-Reform und der nächsten Erweiterungsrunde keinen Zusammenhang. "Natürlich kann man immer etwas verbessern. Aber da geht es um den reibungslosen Ablauf innerhalb der EU. Neue Mitglieder können wir ohne weiteres auf Grundlage der aktuellen Regeln willkommen heißen", sagte der Ungar. Mit anderen Worten: Ungarn hat nichts dagegen, wenn es noch ein bisschen mehr Sand im europäischen Getriebe gibt.

Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 09. November 2023: PDF-Version herunterladen

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