Harter House und die Hände zum Himmel

WIE WAR’S BEI . . . der "Sea You 2015" am Tunisee, die ein Schweizer Pärchen auch deshalb begeisterte, weil es vorher noch gemütlich shoppen konnte.  

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Sea You Festival 2015 Foto: Miroslav Dakov

DJ-Sets von Weltstars wie Sven Väth, zu denen am Samstag und Sonntag rund 14 000 Gäste aus Südbaden, Frankreich und der Schweiz tanzten: Das Techno-Festival "Sea You" am Tunisee konnte auch die kurzfristige Absage von Robin Schulz verschmerzen.

Der erste Eindruck
Weiße Männchen schweben am tiefblauen Himmel. Sie bewegen sich sanft im warmen Wind, der über das Tunisee-Gelände bei Hochdorf weht und scheinen jedem Festivalbesucher freundlich zuzuwinken. Weder sind es die Hitze noch bewusstseinsverändernde Substanzen, die den Ankömmling Dinge sehen lassen, die es gar nicht gibt. Die Männchen sind aus weißen Ballons zusammengesetzte Plastikkumpane, dem Michelinmännchen nicht unähnlich. Sie hängen an einer langen Leine am Eingang des Festivalgeländes und dekorieren das Festival mit einem Hauch Kindergeburtstagsfeeling.

Das Line-up
Mit Sven Väth und Carl Cox, die das Programm am Samstag anführen, stehen zwei der weltweit gefragtesten Discjockeys für elektronische Tanzmusik auf den Bühnen der "Sea You". Väth, 1964 in Obertshausen bei Frankfurt geboren, gehört seit Ende der 80er Jahre zu den Wegbereitern und Anschiebern der Rave-Kultur in Deutschland. Mit Clubs wie dem Omen und Cocoon, mit Plattenlabel wie Eye Q Records und Cocoon, hat er Stilprägendes geschaffen. Nicht zuletzt dafür hat ihm die Stadt Frankfurt am vergangenen Freitag die Goetheplakette verliehen. Cox, 1962 in Manchester geboren, hat für England so ziemlich dasselbe getan. Beide vereint, dass sie seit Jahrzehnten regelmäßig auf Ibiza, der Feierinsel schlechthin, auflegen. Beide sind Anfang 50 und zeigen, dass Techno längst keine Jugendbewegung mehr ist. Mit Monika Kruse, Nina Kraviz und etlichen anderen bieten die Veranstalter am Samstag ein Programm, das Gäste auch aus der Schweiz, Frankreich und Italien anlockt. "Wältklass", sagt die Schweizerin Janina. Von Weltformat sind auch Eric Estornel alias Maceo Plex und Rune Reilly Kölsch, die am Sonntag ihr Freiburg-Debüt geben.

Das Publikum
So viel Schweiz war selten auf einem Festival in der Region Freiburg. Liegt’s an dem immer noch starken Schweizer Franken, der Lage des Festivalorts oder dem Programm? Vermutlich ein bisschen von allem. Vormittags waren Janina und Niklas, ihr Basler Freund, noch "schöpple", also einkaufen. "Was fürs Büro" gab’s für Niklas, Janina deckte sich mit Röckchen, Kleidchen und Holzschmuck ein. Viele andere kommen aus der Ortenau und Nordbaden, vom Hochschwarzwald und der Baar. Einige können sich noch an das "Dorian Gray", die legendäre Diskothek im Frankfurter Flughafen, erinnern. Andere haben mit elektronischer Tanzmusik eigentlich nichts am Hut und wollen mit Freundinnen und Freunden einfach eine gute Zeit erleben.
Die Party
Laserstrahlen zucken. Wie Blitze durchschneiden sie das Dunkel der Nacht und den Kunstnebel, der über der Bühne aufsteigt. Sie jagen über die Köpfe der Tanzenden, mal im Takt ihrer Bewegungen, mal um den Bruchteil einer Sekunde verschoben. Es ist kurz vor Mitternacht, die Zeit von Nina Kraviz, die als Discjockey den Samstagabend abschließt. Die Party steuert ihrem Höhepunkt entgegen. Harter, roher House trifft auf kalten, hypnotischen Techno. Zu diesen Rhythmen kann man nicht still stehen. Auch Kraviz, ursprünglich studierte Zahnmedizinerin, ist ständig in Bewegung. Sie tänzelt, wippt mit den Füßen, neigt ihren Oberkörper nach vorne, hebt die Arme, klatscht in die Hände, schließt die Augen, fühlt die Musik. Die repetitiven Grooves lassen Zeit und Ort vergessen. "Besser als ein Orgasmus", sagt Tobi, der aus Offenburg an den Tunisee gereist ist. Seine Freundin rammt ihm die Faust in die Rippen. Und Väth, den sie alle zärtlich "Babba" nennen? Der hat sein Publikum bereits mit der ersten Platte in der Hand. Er dreht den Bass raus, dreht ihn wieder rein. Tausende recken ihre Arme zum Himmel. Und die Lautstärke? Die geht völlig in Ordnung.

Augenschmaus
Holzperlenketten, Blumenkränze und Federn im Haar, dieses zu kleinen Zöpfchen geflochten, Häkel- und Spitzenoberteile, bunt bedruckte Röcke und T-Shirts: Im Sommer 2015 hat nun auch im Breisgau der Coachella-Stil, benannt nach dem gleichnamigen US-amerikanischen Musikfestival, Einzug gehalten. Zumindest bei den Frauen. Die Jungs tragen gerne Oberkörper frei oder …

Augengraus
… T-Shirts, auf die Slogans wie "Drinking, dancing, find a girl" oder "Eat, sleep, rave, repeat", gedruckt sind. Absoluter Weggucker des Tages sind allerdings Tätowierungen mit Rechtschreibfehlern. "Amicicia" statt "amicizia", zum Beispiel.

Gaumenschmaus
Zur beliebtesten Bühne nach den Künstlerbühnen werden eine Gyros-Bude, ein Crêpe-Stand mit tanzenden Köchen und die Grillbude des Athletiksportvereins Alemannia Vörstetten (ASV) – mit dem schnellsten und freundlichsten Personal vor Ort.

Was in Erinnerung bleibt
Der Techno-Routinier Sven Väth, eine Nina Kraviz in bester Rave-Laune, die weißen Michelinmännchen und ein absolut undurchsichtiges Pfandrückgabesystem. Da bitte 2016 nachbessern!

Viele Fotos gibt es beim Liveticker unter http://mehr.bz/seayou2015

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