Entsorgung
Gelber Sack: Erst sauber trennen, dann verbrennen
Seit 30 Jahren gibt es in Deutschland den Gelben Sack – aber mit dem Recyclen hapert es immer noch. Woran liegt das?
Wolf von Dewitz (dpa)
So, 13. Jun 2021, 20:09 Uhr
Wirtschaft
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Wer seinen Aufschnitt aufgegessen hat, wirft die Plastikverpackung in die Gelbe Tonne oder den Gelben Sack. Was heute selbstverständlich klingt, war vor drei Jahrzehnten eine Neuerung. Die Mülltrennung ist allerdings in die Jahre gekommen – und nach Ansicht der Entsorgungsbranche dringend reformbedürftig.
Um das zu erklären, muss man einen Blick zurück werfen: Vor 30 Jahren, am 12. Juni 1991 wurden erstmals Regeln zum Mülltrennen im Bundesgesetzblatt publiziert. In Kraft traten die Regeln schrittweise Ende 1991, 1992 und 1993. Gelbe Säcke und Gelbe Tonnen wurden flächendeckend eingeführt. Die inzwischen zum Gesetz gewordene Verordnung nahm die Hersteller und Händler in die Pflicht. Seither zahlen die Firmen Geld für die Abholung, Sortierung und Verarbeitung ihrer Produktverpackungen.
Die Lizenzentgelte sammeln zwischengeschaltete Unternehmen ein, die duale Systeme heißen – das bekannteste von ihnen ist die Kölner Firma DSD mit ihrem Markenzeichen Grüner Punkt. Die dualen Systeme wiederum bezahlen mit diesen Einnahmen die Kosten für Müllabfuhren, Sortierer und Verwerter.
Abfallexperte Henning Wilts vom Wuppertal-Institut blickt positiv auf die Anfänge des Recyclings zurück: Die damals großen Sorgen wegen wachsender Müllfluten seien entschärft worden. "Deutschland war einer der ersten Staaten, die private Firmen für die Verpackungsentsorgung in die Verantwortung genommen haben – das war bahnbrechend." Die Müllmenge sank zunächst – weil die Hersteller weniger Verpackungen einsetzten, um nicht so viel zahlen zu müssen. Joachim Christiani vom Institut HTP Cyclos spricht im Rückblick anerkennend von einem "mutigen Konzept".
Doch das ist lange her, die Gegenwart sieht anders aus – und die Recyclingbranche ist keineswegs in Feierlaune. Das liegt auch an besagten Plastikschalen in den Supermärkten. "Solche Verbundverpackungen erschweren hochwertiges Recycling", moniert der Chef der Entsorgungsfirma Alba, Axel Schweitzer. Die Folien aus mehreren aufeinander verklebten Schichten seien derzeit praktisch nicht "werkstofflich recycelbar" – also wiederverwertbar.
58,5 Prozent der Kunststoffe, die über Gelbe Säcke, Gelbe Tonnen oder Wertstofftonnen eingesammelt werden, wurden im Jahr 2019 nach Behördenangaben recycelt. Im Umkehrschluss heißt das: Der Großteil der verbliebenen 41,5 Prozent wurde zur Energieerzeugung verbrannt. Es ist trostlos: Plastikmüll wird in Deutschland fleißig gesammelt – und am Ende zum großen Teil verbrannt. Das hilft zwar, um den Energiehunger von Zement- und Stahlwerken zu stillen. Doch das Plastik wird der angedachten Kreislaufwirtschaft damit entzogen. Zwar steigen die Anforderungen. Im Jahr 2022 müssen 63 Prozent recycelt werden – aber das Grundproblem bleibt bestehen.
Woran liegt das? Aus Sicht von Alba-Chef Schweitzer ist die meisten Verpackungen falsch konzipiert. "Sie sind nicht so gebaut, damit sie gut recycelt werden können", sagt der Manager. Als Negativbeispiel nennt er Plastikbecher, die mit einer Pappbanderole ummantelt und mit einer Alufolie bedeckt sind. Verbraucher können die verschiedenen Bestandteile ihres Joghurtbechers zwar auseinanderfriemeln und vorsortieren. "In der Praxis machen das viele Verbraucher aber nicht – in unseren Anlagen sind ihre Bestandteile dann nur schwer zu trennen", so Schweitzer.
Der Manager pocht darauf, Industrie und Handel schon bei der Produktion in die Pflicht zu nehmen und nicht erst über Kosten für das Recycling – sie müssten darauf getrimmt werden, ihre Verpackungen so zu konzipieren, dass sie nach ihrer Nutzung besser recyclingfähig seien als bisher. Alba-Wettbewerbern wie Remondis und Veolia sind die schwer recycelbaren Verpackungen ebenfalls ein Dorn im Auge. Und Gunda Rachut von der Zentralen Stelle Verpackungsregister stellt fest: "Der Trend bei den Verbundverpackungen geht klar zu Lasten des Recyclings."
Auch Branchenkenner Christiani moniert eine schlechte Beschaffenheit. So ließen sich Kunststoffverpackungen, die mit rußbasierten Pigmenten eingefärbt sind, mit der heutigen Technologie gar nicht sortieren.
Umweltexperte Wilts nennt es einen "schweren Fehler, dass das Verpackungsgesetz nicht ausreichend auf die Frage der Recyclingfähigkeit abzielt". Es gebe zwar Bemühungen großer Konzerne, diese seien aber freiwillig und zu zaghaft. In Frankreich hingegen müssten Firmen, die nicht wiederverwertbare Verpackungen nutzten, eine Strafe zahlen – das wäre auch für Deutschland ein geeigneter Impuls, sagt Wilts.
Für Kopfschütteln sorgt zudem der Paragraf 21 des derzeit gültigen Verpackungsgesetzes. Hier werden die dualen Systeme zwar zu einer "ökologischen Gestaltung der Beteiligungsentgelte" und zur Förderung von Rezyklaten – also recyceltem Plastik – verpflichtet. Allerdings ist der Paragraf so vage formuliert, dass diese Pflicht nach Branchenlesart ins Leere läuft. "Der Paragraf funktioniert nicht", sagt Experte Christiani. Die dualen Systeme könnten von Firmen, die nicht recyclingfähige Verpackungen auf den Markt brächten, nur minimal höhere Preise verlangen. Forderten sie einen saftigen Preisaufschlag, wechsele der Hersteller zu einem anderen dualen System.
Aber es gibt Hoffnung: Das Verpackungsgesetz verpflichtet die Bundesregierung, bis Jahresende über weitere Schritte zu entscheiden. "Es wäre höchste Zeit, dass die Unternehmen endlich stärker als bisher auf recyclingfähige Verpackungen setzen – das könnte die Kreislaufwirtschaft in Schwung bringen", sagt Christiani. Die Plastikschalen könnten danach vom Markt verschwinden – und durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzt werden.
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