Account/Login

Freiheit ist janz weit draußen

Sascha Flocken inszeniert Wolfgang Herrndorfs Roman "Tschick" am Theater Freiburg.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Die Sprachtherapeutin (Martin Weigel) ...hinten) und Tschick (vorne) zum Arzt.   | Foto: Maurice Korbel
Die Sprachtherapeutin (Martin Weigel) bringt Maik (hinten) und Tschick (vorne) zum Arzt. Foto: Maurice Korbel
"Albern? Was ist schon albern?" winkt der Arzt ab, und ermutigt Maik Klingenberg ihm zu erzählen, was passiert ist. Seine Antwort bringt den Arzt aus dem Konzept, das merkt der 14-jährige Maik an dessen nervös zuckendem Auge. Ganz ehrlich, Maik glaubte ja selbst nicht daran, dass es die Walachei überhaupt gibt, als Tschick, der Neue in der Klasse, ihn dazu überredete, dorthin zu fahren – mit einem gestohlenen Lada. "Walachei? Das ist doch nur ein Ausdruck für Pampa", entgegnet Maik Tschick, "wie JWD – janz weit draußen!" Aber Tschick, der eigentlich Andrej Tschichatschow heißt und von einer Förderschule in Berlin kommt, überredet den schüchternen Maik, endlich einmal etwas zu riskieren und auszubrechen aus seiner Vorstadttristesse: bestehend aus Villa mit Pool, einem Vater, der zwei Wochen mit seiner Assistentin auf "Geschäftstermin" ist, und einer Mutter, die in die Beauty-Farm, sprich Entzugsklinik, fährt.

Mit nur vier Schauspielern bringt das Junge Theater Freiburg den Jugendroman des 2013 verstorbenen Wolfgang Herrndorfs auf die Bühne des Werkraums (Regie: Sascha Flocken). Konrad Singer spielt Maik, Božidar Kocevski ist Tschick, Marie Bonnet verkörpert drei Rollen, Martin Weigel gleich vier. Dann ist da noch Burkhard Finckh, der in einem riesigen Kubus auf der Bühne sitzt, Trompete und Keyboard spielt und Elektrobeats darunterlegt. Finckh leitet Maiks Ausbrechen aus dessen kleiner Welt ein, indem er aus Tschicks unaufhörlichem Betteln, mit dem Lada einmal um den Block zu fahren, einen HipHop-Track bastelt, der an Sidos "Mein Block" erinnert. Das überwiegend junge Publikum nickt mit.

Irgendwann ist auch Maik (großartig verklemmt, schüchtern und pubertär: Konrad Singer) weich gerappt. So landen die Außenseiter bei Tatjanas Party. Tatjana ist das schönste Mädchen der Welt, meint Maik, der leider so langweilig ist, dass er nicht mal einen Spitznamen hat. Nur Maik. Klar, dass er nicht eingeladen war. Aber Tschick (lässig, großmäulig und sehr lustig: Božidar Kocevski) weiß, wie es läuft: "Du fällst einfach nicht auf!" Sagt’s und verpasst Maik einen knallpinken Pelzmantel.

Das Bühnenbild ist weniger knallig und setzt minimalistisch auf weiße Würfel, die mal wild durch die Gegend geworfen werden, die Frontsitze des Ladas versinnbildlichen oder den mitunter schweren Weg der Jungs, indem sie auf ihnen balancieren. Die Idee funktioniert fantastisch, wie auch die Interaktion der Schauspieler mit dem Publikum. Das johlt begeistert, wenn Tschick in ihre Richtung zwinkert, oder Maik an einem Zuschauer übt, wie er seinen Schwarm Tatjana begrüßen soll.

Es sind die Brüche, die das Stück lebendig, unterhaltsam und lustig machen. So wird die Reise von Isas imaginärer Fernsehshow unterbrochen, als Maik und Tschick diese auf der Müllkippe treffen und sie ihnen in einem physikalischen Versuch erklärt, wie man Benzin aus Autos abpumpt. Marie Bonnet spielt das obdachlose Mädchen mit der großen Klappe hemmungslos und mit viel Sarkasmus. Isa ist die Erste, die Maik und Tschick auf ihrem Roadtrip treffen, darauf folgt Martin Weigel als schießwütiger Kriegsveteran oder tolpatschige, aber liebenswürdige Sprachtherapeutin. Überhaupt, meint Maik später, heißt es ja, 99 Prozent der Menschen seien schlecht. "Aber wir sind ausschließlich dem einen Prozent begegnet, das nicht schlecht ist."
– Weitere Termine: 3., 6., 14., 20. Dezember, 2., 11. Januar, 19 Uhr, Werkraum Theater Freiburg.

Ressort: Theater

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel