Handwerk in der Region
"Es ist Zeit, zu machen!"
Verlagsthema BZ-Interview mit Christof Burger, dem neugewählten Präsidenten der Handwerkskammer Freiburg, über das Erbe von Johannes Ullrich und die Lage des südbadischen Handwerks.
Di, 18. Jun 2024, 9:33 Uhr
Verlagsthema
Thema: Handwerk in der Region
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BZ: Wie ist es aktuell um die Handwerksbetriebe bestellt?
Burger: Nicht allen Betrieben geht es schlecht – aber der Frust ist bei vielen ähnlich. Schließlich verweisen wir als Handwerksorganisation schon seit vielen Monaten auf dieselben Probleme. Unsere Betriebe leiden unter hohen Belastungen – vor allem unter der Bürokratie. Fehlende Planbarkeit und mangelnde politische Verlässlichkeit bremsen die Unternehmen und Kunden zusätzlich aus. Es entsteht der Eindruck: Egal, wie oft man auf Probleme und Gefahren hinweist – es tut sich nichts. Diesem Eindruck muss die Politik klar entgegentreten.
BZ: Ein Lichtblick sind die Ausbildungszahlen, die im Vergleich zum Vorjahr um 2,1 Prozent zugelegt haben.
Burger: Ja, die Ausbildungszahlen der südbadischen Handwerksbetriebe liegen wieder nahezu auf dem Niveau von vor Corona. Unsere Betriebe haben sich ins Zeug gelegt und der seit Jahren durchschlagenden demographischen Entwicklung getrotzt.
BZ: Inwieweit sind diese positiven Zahlen auch Arbeitskräften mit Migrationshintergrund geschuldet?
Burger: Für den Ausbildungsmarkt am Südlichen Oberrhein werden Menschen mit ausländischem Pass immer wichtiger. Im Bezirk der Arbeitsagentur Freiburg hat knapp jeder fünfte Auszubildende einen ausländischen Pass, im Bezirk der Arbeitsagentur Offenburg ist es knapp jeder siebte. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Beginner ohne deutsche Staatsangehörigkeit im südbadischen Handwerk mehr als verdoppelt. Aktuell macht das knapp ein Fünftel der Ausbildungsverträge aus. Das Handwerk leistet somit auch einen wichtigen Beitrag zur Integration von Migranten und Flüchtlingen.
BZ: Der Bausektor ist in der Krise. Ihre Einschätzung: Wie wird sich die wirtschaftliche Situation der Betriebe im laufenden Jahr entwickeln?
Burger: Nach einem starken Abfall in den vergangenen Monaten ist klar: Die Wohnungsbaukrise ist bei den Baubetrieben angekommen. Und auch die Ausbaugewerke sind schon in Mitleidenschaft gezogen worden. Immerhin scheinen sich die Aufträge auf niedrigem Niveau zu stabilisieren: In den Bau- und Ausbaugewerken hielten sich die positiven und negativen Rückmeldungen bezüglich des Auftragsbestands etwa die Waage. Beim Umsatz aber sind die negativen Auswirkungen der Baukrise noch deutlich spürbar: Im Bauhauptgewerbe meldete keiner der befragten Betriebe gestiegene Umsätze. Knapp 40 Prozent meldeten hingegen Umsatzrückgänge. Ähnlich negativ berichteten die Ausbaugewerke.
BZ: Welche Gewerke können im Moment profitieren?
Burger: In vielen Bereichen herrscht Unsicherheit – auch in Boombereichen wie dem Elektro- oder dem SHK-Handwerk. Viele Kunden sind verunsichert und diese lahmende Nachfrage wirkt sich auch auf unsere Betriebe aus. Die problematischen Rahmenbedingungen wie die Bürokratiebelastung der Betriebe, zu lange Genehmigungsverfahren und die hohen Energiepreise müssen von der Politik nicht nur erkannt, sondern auch angegangen werden, um wieder Schwung in den Konjunkturmotor Handwerk zu bringen.
BZ: Was sehen Sie als Ihre vordringlichen Aufgaben in 2024 an?
Burger: Neben der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich stehen vor allem die Themen Entbürokratisierung, schnellere Behörden und zukunftsfeste Steuer- und Rentensysteme im Fokus. Aber auch die physisch vorhandenen Rahmenbedingungen für die Unternehmen müssen schlagkräftig angegangen werden: In die Infrastruktur muss investiert werden; der Fachkräftebedarf muss – auch mit internationalen Fachkräften – sichergestellt werden. Es ist Zeit, zu machen! Das Handwerk steht bereit, seinen Beitrag zu leisten.
BZ: Wie wollen Sie Ihre Forderungen durchsetzen?
Burger: Als Handwerksorganisation setzen wir auf den bisher erfolgreichen Weg von Dialog und Kommunikation mit der Politik auf allen Ebenen. Klar muss aber auch sein: Auf Debatten müssen Aktionen folgen. Mit weiteren Spitzenverbänden der Wirtschaft ist in den vergangenen Monaten bereits ein Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz gegangen. Wir haben darin deutlich gemacht, was sich ändern muss, damit der Standort Deutschland wieder durchstarten kann.