Pfalz
Die Hitler-Glocke in Herxheim/Berg darf weiter bimmeln
Gemeinderat im pfälzischen Herxheim hat entschieden, dass das umstrittene Relikt aus der Nazizeit hängen bleiben darf. Allerdings soll es als Mahnmal gelten.
Di, 27. Feb 2018, 19:26 Uhr
Südwest
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Die Hitler-Glocke war bundesweit bekannt geworden, als sich die ehemalige Organistin der evangelischen Gemeinde darüber empörte, dass ein Relikt aus der Nazi-Zeit noch heute zum Gottesdienst ruft. Journalisten kamen. Im Fernsehen kamen Herxheimer Bürger zu Wort, die sagten, sie hätten kein Problem mit der Glocke mit dem Hakenkreuz, die klinge doch so schön. Ein ehemaliger SPD-Stadtrat erklärte sogar einem Fernsehteam, in der Nazizeit sei nicht alles schlecht gewesen, die Vollbeschäftigung zum Beispiel. "Die Leute waren zufrieden".
Derweil versuchte die evangelische Landeskirche zur Beruhigung vor Ort beizutragen und bot an, die Kosten für eine neue Glocke zu übernehmen, falls sich die Gemeinde entschließen könne, die Nazi-Glocke ins Museum zu geben. Das lehnte Roland Becker, damaliger Bürgermeister, ab und verstieg sich in einem Interview mit dem Fernseh-Magazin Kontraste zur Behauptung, Herxheim müsse stolz auf die Glocke sein, schließlich gebe es nur drei dieser Art in Deutschland. Zudem sei er der Meinung, dass man, wenn man über das "Dritte Reich" rede, auch die positiven Dinge erwähnen müsse.
Damit hatte Herxheim seinen Ruf bundesweit weg. Becker musste zurücktreten. Inzwischen gibt es einen Nachfolger. Georg Welker, pensionierter Pfarrer, ist die Luther-Pose "Ich stehe hier und kann nicht anders" nicht ganz fremd. Er machte Wahlkampf mit dem Slogan: "Die Glocke bleibt hängen." Dafür haben ihn wohl auch viele der Herxheimer gewählt, die wollen, dass das Thema nicht so hoch gehängt wird. Dabei sagt Welker auch, für ihn sei die Glocke eine Mahnung.
Siegrid Peters, jene ehemalige Organistin, findet das "bigott". Gleich nach der Abstimmung gibt sie vor dem Ratssaal Interviews fürs Radio und Fernsehen. Sie sei entsetzt über den Beschluss der Stadträte, sagt sie. Die Glocke sei zu Ehren eines Massenmörders gegossen worden, 80 Jahre habe sich keiner dafür interessiert. "Und jetzt soll die Massenmörderglocke plötzlich eine Mahnglocke sein?" Peters will sie ins Museum verbannt sehen und sagt den seltsamen Satz: "Der Ort muss sich von der Glocke befreien".
Befreiung von "unbequemen Denkmälern" sei nicht der richtige Weg, meint die Glockenbeauftragte der evangelischen Landeskirche in einem Gutachten. Herxheims Gemeinderäte folgen mit ihrem Beschluss diesem Rat. Eine Gedenktafel soll am Kirchturm angebracht werden, die über die Glocke, die bisher nur verborgen im Kirchturm geläutet hat, informiert. Und Bürgermeister Welker kündigt regelmäßige Vortragsveranstaltungen und Diskussionen zur Nazi-Vergangenheit an. Die erste war bereits im September, die nächste sei für März geplant.
Im vergangenen Jahr, auf dem Höhepunkt der Glockendebatte, war auch noch die NPD in Herxheim aufmarschiert und hatte gefordert, die Glocke müsse hängen bleiben. Dem Dutzend Neonazis standen damals 200 Gegendemonstranten gegenüber. Nehmen die Herxheimer den Gemeinderatsbeschluss ernst, verhilft ausgerechnet der Verbleib der Hakenkreuz-Glocke dem Weinort jetzt zu einer Erinnerungskultur, die NPD und AfD erklärtermaßen lieber heute als morgen beenden würden. Es gibt schlechte Pointen nach so einer kruden Debatte.
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