Interview

Bei Fieber zum Arzt oder daheim bleiben? Ein Kinderarzt gibt Antworten zur diesjährigen Grippewelle

Die Grippe geht um: Viele kleine und größere Kinder sind gerade daran erkrankt. Im Interview berichtet Kinderarzt Markus Sandrock aus seiner Praxis und erklärt, wann Eltern zu ihm kommen sollten.  

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Wenn Kinder sich den Grippevirus einfangen, können sie hohes Fieber bekommen.  | Foto: Patrick Pleul (dpa)
Wenn Kinder sich den Grippevirus einfangen, können sie hohes Fieber bekommen. Foto: Patrick Pleul (dpa)

BZ: Herr Sandrock, laut den Berichten des Landesgesundheitsamts und des Robert-Koch-Instituts leiden derzeit viele Kinder an Grippeinfektionen. Wann ging es bei Ihnen in der Praxis los damit?

In den letzten drei Wochen haben wir eine deutliche Zunahme von fieberhaften Luftwegsinfekten. Das ist nicht ungewöhnlich, wir erleben es oft, dass nach den Weihnachtsferien die Kinder sich in ihren Gemeinschaftseinrichtungen wieder begegnen und dann die Krankheitserreger untereinander austauschen. Und wenn eine ordentliche Kältewelle dazukommt und alle viel drinnen sind, nimmt das Ganze seinen Lauf. Im Moment sind nicht nur Kleinkinder, sondern auch Schulkinder bis ins Teenageralter doch relativ stark betroffen.

BZ: In welchem Zustand kommen die Kinder zu Ihnen in die Praxis?

Die Symptome sind hohes Fieber, das teils schlagartig einsetzt, dann Kopfschmerzen und Gliederschmerzen. Husten und Schnupfen sind gar nicht unbedingt das führende Symptom. Kleinkinder leiden oft auch an Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen. Das ist dann auch beunruhigend für die Familien.

BZ: Das heißt, es geht den Kindern richtig schlecht?

Sie sind richtig krank, wie es bei hohem Fieber oft der Fall ist. Und es geht in dieser Saison nach meinem Eindruck relativ lang, oft nicht nur drei oder vier, sondern fünf, sechs Tage.

BZ: Gibt es auch Kinder mit schweren Verläufen, die dann womöglich stationär behandelt werden müssen?

Bei einer hohen Zahl an Infektionen ist immer ein Anteil dabei. Gerade bei den Kleinen reagieren oft die unteren Atemwege mit, also die Bronchien und auch die Lunge. Wir versuchen viel ambulant zu machen, aber, spätestens wenn Sauerstoffbedarf dazukommt oder die Kinder das Trinken einstellen und zusätzliche Flüssigkeitszufuhr notwendig ist, dann ist eine stationäre Behandlung erforderlich.

BZ: Auch wenn es so weit nicht kommt, machen sich Eltern relativ große Sorgen?

"Wir erleben es zunehmend, dass Eltern sehr schnell eine Vorstellung oder Abklärung ihres Kindes wünschen."Markus Sandrock

Ja, wir erleben es zunehmend, dass Eltern sehr schnell eine Vorstellung oder Abklärung ihres Kindes wünschen. Das führt im Moment zu sehr vollen Praxen mit langen Wartezeiten und sehr hoher Auslastung. Auch in der Notfallpraxis und der pädiatrischen Notaufnahme der neuen Freiburger Kinderklinik.

BZ: Es ist nicht in jedem Fall notwendig?

Ich versuche Eltern immer zu erklären, dass sie sich vor allen Dingen den Zustand ihres Kindes anschauen sollen. Auch hohes Fieber ist letztendlich nur ein Anzeichen dafür, dass das Immunsystem sich gegen eine Infektionskrankheit wehrt. Wichtiger ist zu schauen: Spielt mein Kind noch, nimmt es noch an unserem Familienalltag teil? Und ganz wichtig: Nimmt es noch Flüssigkeit zu sich und atmet es ohne größere Anstrengung? Erst wenn das nicht der Fall ist, sollten Kinder schnell vorgestellt werden. Ab dem späten Kindergartenalter kann man sich das schon drei bis vier Tage zu Hause erst mal anschauen und gegebenenfalls selbstständig das Fieber senken.

BZ: Wie macht man das am besten?

Beste erste Maßnahmen sind immer noch die guten Hausmittel. Viel Trinken ist wichtig bei hohem Fieber, weil man Flüssigkeit verliert über die Atmung und über die Haut. Dann ist der Wadenwickel vor allen Dingen bei Kleinkindern immer noch eine gute Maßnahme und, wenn die Patienten das mitmachen, kalte Auflagen, Auflagen auf Stirn und Brust. Und wenn das nicht hilft, kann auch medikamentös gesenkt werden. Da haben sich ja Ibuprofen und Paracetamol ganz gut bewährt.

Markus Sandrock  | Foto: Kathrin Blum
Markus Sandrock Foto: Kathrin Blum

BZ: Es heißt ja auch oft, man solle Fieber gar nicht so runtersenken, weil es ein guter Prozess ist im Körper.

Abwehrstoffe funktionieren einfach besser, wenn die Körpertemperatur ein bisschen hoch gestellt wird. Deswegen macht der Körper das ja. Insofern ist es gut, wenn man das Fieber als Patient und als Angehöriger tolerieren kann. Aber ich sage meinen Eltern auch: Nachts ist es für alle Beteiligten vielleicht ganz hilfreich, wenn man ein bisschen großzügiger ist mit Fiebersenkung. Auch ein guter Schlaf ist für die Genesung wichtig – und auch für die Erholung der Eltern. Es ist schon sehr anstrengend, wenn man ein fieberndes Kind neben sich im Bett liegen hat.

Beste erste Maßnahmen sind immer noch die guten Hausmittel"Markus Sandrock

BZ: Am Wochenende mit einem hoch fiebernden Kind in eine Notaufnahme zu gehen, ist das sinnvoll?

Das hängt von der Schwere der Erkrankung ab. Aber es gibt immer mehr Familien, die bei Krankheiten im Internet anfangen zu recherchieren. Und die Internetrecherche bringt einen dann oft zu der Vermutung, überhaupt nicht nur bei Kindern, dass es sich um eine sehr ernste Krankheit handelt. Dann ist es natürlich schwer, das am Wochenende auszuhalten. Aber dann drei Stunden in der Notaufnahme zu verbringen mit dem Risiko, in Kontakt mit anderen Infektionskrankheiten zu kommen und sich womöglich noch mehr zu belasten, ist auch nicht sinnvoll.

BZ: Von wegen Anstecken: Können sich die Eltern davor schützen, das Grippevirus von ihrem kranken Kind weitergegeben zu bekommen?

Ich glaube, es ist im Haushalt kaum möglich. Der beste Schutz ist die jährliche Grippeimpfung. Aber die ist diesen Herbst und Winter nach meinem Gefühl nicht so sehr in Anspruch genommen worden wie die Jahre davor.

BZ: Bei Kindern empfiehlt die Ständige Impfkommission eine Impfung nur bei Vorerkrankungen. Gehören Sie zu den Ärzten, die trotzdem sagen, auch Kinder sollte man im Herbst gegen Grippe impfen?

"Man weiß, dass die Grippe vor allem von Kindern in die Familien hineingetragen wird."Markus Sandrock

Man weiß, dass die Grippe vor allem von Kindern in die Familien hineingetragen wird. Und wenn es da Menschen gibt, die man vielleicht speziell schützen muss, dann finde ich es schon sinnvoll. Der Grippeimpfstoff ist ein altetablierter Impfstoff mit einer sehr sicheren Datenlage. Ich biete es auch den Patienten an, aber tatsächlich fanden wir in unserer Praxis die Nachfrage nicht sonderlich hoch dieses Jahr.

BZ: Ist es sinnvoll, Kinder, die sich noch nicht angesteckt haben, jetzt noch zu impfen?

Nein, der Impfstoff ist ein sogenannter Aktivimpfstoff. Das heißt, der Schutz ist nicht in dem Moment da, wenn ich die Impfung durchführe, sondern es dauert zwei bis drei Wochen, bis der Körper die Impfantwort aufgebaut hat. Und ich glaube, dann wird die Grippewelle am Abklingen sein.

Markus Sandrock praktiziert als niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Staufen. Er ist im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Obmann für den Bereich Baden-Süd/Freiburg.

Schlagworte: Markus Sandrock, Markus Sandrock BZ, wünschen."Markus Sandrock Ja
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