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„Welt“-Reporter

Autokorsos für Deniz Yücel

Proteste gegen die Verhaftung des "Welt"-Reporters / Dieser hatte kenntnisreich und kritisch über die Türkei berichtet.  

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In Deniz Yücels hessischer Heimat Flör...es Autokorsos ein Solidaritätsplakat.   | Foto: DPA
In Deniz Yücels hessischer Heimat Flörsheim entrollen Teilnehmer eines Autokorsos ein Solidaritätsplakat. Foto: DPA
Entsetzen zeichnete sich am Montagabend in den Gesichtern von Tanten und Cousinen von Deniz Yücel ab, als die Nachricht von seiner Verhaftung aus der geschlossenen Verhandlung vor dem Haftrichter nach draußen drang. Damit hatte in der Runde der seit Stunden in den Gängen des Gerichtskomplexes im Istanbuler Stadtteil Caglayan wartenden Kollegen und Freunde von Yücel niemand gerechnet. 13 Tage saß Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" da schon in einer Arrestzelle bei der Istanbuler Sicherheitspolizei.

Angefangen von der Bundeskanzlerin über den Außenminister bis hin zu allen Journalistenverbänden und seinen Kollegen bei der "Welt" und anderen Zeitungen, hatten alle ihre Erwartung nach einer baldigen Freilassung des deutschen Journalisten kundgetan, und dann das: Untersuchungshaft auf unbestimmte Zeit. Yücel hatte Mitte Dezember durch den Bericht einer regierungsnahen Zeitung erfahren, dass nach ihm und weiteren acht Journalisten gefahndet würde, weil diese über geleakte Mails des türkischen Energieministers Berat Albayrak, der auch Präsident Recep Tayyip Erdogans Schwiegersohn ist, berichtet hatten. Die Mails waren von einer türkischen Hackergruppe veröffentlicht worden und unter anderem auf Wikileaks zu finden. Yücel flüchtete zunächst ins deutsche Generalkonsulat in Istanbul, stellte sich dann aber am 8. Februar der Polizei.

Bei den Vernehmungen durch die Polizei, dem Staatsanwalt und dem Haftrichter spielten die E-Mails dann aber keine große Rolle mehr. Aus dem Protokoll der Gerichtsverhandlung vom Montagabend geht hervor, dass Yücel nicht nur Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, sondern auch für die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen wird. Die Regierung macht Gülen für den Putschversuch von Juli 2016 verantwortlich. Gülens Bewegung und die PKK, die völlig gegensätzliche Ideologien verfolgen, werden in der Türkei als Terrororganisationen eingestuft.

Ein Interview Yücels mit Cemil Bayik, einem der PKK-Führer, und seine Berichte über das brutale Vorgehen türkischer Soldaten gegen kurdische Zivilisten, spielten im Verhör eine Rolle. Der Haftrichter wertete das als Propaganda für die kurdische "Terrororganisation PKK", ein Allgemeinplatz, der gegen alle Journalisten erhoben wird, die kritisch über die Kurdenpolitik Erdogans berichten. Nur war es bislang so, dass zwar türkische Journalisten deswegen verhaftet wurden, ausländischen Korrespondenten aber maximal der Entzug ihrer Akkreditierung drohte.

Deniz Yücel ist nun der erste deutsche Korrespondent, den Erdogan ins Gefängnis stecken lässt. Alle Beobachter vor Ort gehen davon aus, dass der Haftrichter diese Entscheidung nicht unabhängig, sondern auf Anweisung der Regierung gefällt hat. Erleichtert wird Erdogan diese massive Verletzung der Pressefreiheit dadurch, dass Deniz Yücel neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt. Seine Eltern sind vor Jahrzehnten nach Deutschland eingewandert.

Protest vor der türkischen

Botschaft in Berlin
Deniz Yücel ist im hessischen Flörsheim geboren und aufgewachsen, hat Politologie studiert und sich in der deutschen linken Bewegung engagiert. Als Journalist war er zunächst in der Wochenzeitung "Dschungelworld", einer Abspaltung von der "Jungen Welt", aktiv und stieß von dort zur "Taz", wo er als Redakteur in unterschiedlichen Ressorts arbeitete. Während des Gezi-Aufstandes 2013 hatte er aus Istanbul berichtet und später über diese turbulenten Tage ein Buch geschrieben. Seither wollte er als Korrespondent in die Türkei. Zur allgemeinen Überraschung bot ihm "Die Welt" diesen Job an. Seit Mai 2015 berichtete Deniz Yücel kenntnisreich und kritisch über das Abdriften der Türkei in eine Erdogan-Autokratie.

In Berlin auf dem Dach des Springerverlags, zu dem auch "Die Welt" gehört, prangt seit Dienstag ein riesiges Transparent. "#FreeDeniz" steht darauf. Das Banner hoch über Kreuzberg ist beileibe nicht die einzige Solidaritätsadresse. Aus der anfänglich kleinen Unterstützungsbewegung, die am 19. Februar für Yücel einen Autokorso durch Berlin organisierte, ist eine bundesweite, ja fast europaweite Woge des Protests geworden. Selbst auf einigen Karnevalsumzügen ist gerade die Parole "#FreeDeniz" zu lesen gewesen, die seit Tagen zu den Trends auf dem Kurznachrichtendienst Twitter gehört.

Der jüngste Richterspruch hat den Dienstag zum Höhepunkt des Proteststurms gemacht. Für den Autokorsofan Yücel waren in zwölf Städten entsprechende Fahrten angekündigt – in Berlin, Hamburg, München, Köln, Bremen, Hannover, Frankfurt, Leipzig und Bielefeld, aber auch in Zürich, Wien und Graz. Vor der türkischen Botschaft in Berlin fand am frühen Abend eine Kundgebung statt – mit vielen Journalistenkollegen, aber auch einer Reihe von Politikern wie dem Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir.

Ressort: Ausland

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