Auf Kosten der Jungen
BUCH IN DER DISKUSSION: Der frühere ZDF-Journalist Michael Opoczynski kritisiert die wohlhabende ältere Generation.
Berthold Merkle
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Die Dramaturgie des Buches ist richtig pfiffig, weil sie die persönlichen Erfahrungen in den Mittelpunkt nimmt. Da steht Opoczynski nach einem langen Berufsleben als professioneller Nachrichtenerklärer plötzlich als neuer Rentner da und blickt auf die Welt und wie sie ist. Wenn er so sieht, wie die Dinge laufen, packt ihn gleich der Zorn und auch die Hauptschuldigen hat er sofort ausgemacht: seine Generation – die heutigen Rentner.
"Wir haben sorglos die Zukunft verbraucht, die jetzt den Jungen fehlt", schreibt Opoczynski selbstkritisch. Doch dieses Bewusstsein hätten seine Alterskameraden eher nicht, bedauert er und zählt ganz empört auf, womit heutige Pensionäre sich die Zeit vertreiben: einen protzigen SUV mit Vierradantrieb fahren und Kreuzfahrten machen. Der Autor hält dies gleich für einen doppelten Frevel, denn hier würden Ressourcen verbraucht, die den nachfolgenden Generationen fehlten.
Der Fernsehredakteur muss einen gut gefüllten Zettelkasten mit aufs Altenteil genommen haben. Denn er lässt wirklich keinen Missstand aus. Ganz viel Raum widmet der Jungrentner dem Raubbau an der Natur und am Klima. Was zählt, ist der Gewinn, beklagt Opoczynski immer wieder – in allen möglichen Lebenslagen. Dazu gehört auch, dass Produkte verkauft werden, die ihre Verfallszeit schon einprogrammiert haben. Toaster und DVD-Player seien inzwischen dermaßen auf Einweg-Nutzung konstruiert, dass sie nicht mehr zu reparieren sind. Das ärgert auch die rüstigen Tüftler im Repair Café, die sich noch nützlich machen wollen. Man merkt richtig, wie dem erfahrenen ZDF-Redakteur, der sich berufsmäßig um Verbraucherthemen gekümmert hat, bei derart dreistem Geschäftsgebaren der Hut hoch geht. Vor allem, weil er weiß, dass kurzlebige Elektrogeräte auch nur ein Symbol für ein Land sind, das seine Infrastruktur auf Verschleiß fährt und in seinen Städten "gute" Wohnviertel für die "besseren" Leute zulässt, während die Benachteiligten mit verwahrlosten Parks und in 1970er-Jahre-Betonblocks leben müssen. Dies zeigt dem 67-Jährigen, wie die Schere inmitten der Gesellschaft inzwischen aufgeht.
Und es wird ganz bestimmt nicht besser. Denn als Wirtschaftsfachmann kann der Autor auch gleich nachweisen, dass das heutigen Rentensystem so keine Zukunft mehr hat, weil es auf den – schwachen – Schultern der jungen Arbeitnehmer ruht. Davon gibt es immer weniger, die aber immer mehr zahlen müssten. Falls sie es überhaupt noch können. Denn die "Generation Praktikum" werde nicht mehr mit gut dotierten festen Arbeitsstellen versorgt, wie noch Opoczynski und seine Alterskohorte.
Dabei habe für seine Generation alles so hoffnungsvoll und begeistert begonnen. Beinahe wehmütig erzählt der Autor von den politischen Zielen "seiner 68er", die Bildung für alle wollten. Auch Arbeiterkinder sollten faire Chancen haben. Herausgekommen ist aber eine deutlich geteilte Zwei-Klassen-Gesellschaft: die einen mit Hauptschulabschluss, die anderen mit Abitur. Wobei letztere – ganz schlimm – ihre Karrierechancen mit Kritiklosigkeit und politischem Desinteresse erkauft hätten. "Mit einer Kohorte willfähriger Akademiker lässt sich alles machen", schreibt Opoczynski.
Die knallharten und flotten Formulierungen sind ein Hauptmerkmal dieses Buches. So wird es über weite Strecken ein richtiges Pamphlet für die gute Sache. Michael Opoczynski klagt an, aber er resigniert nicht. Die "wohlhabenden" Alten sollen umkehren und fair zu den Jungen sein. Als junger Rentner zeigt der Autor den Mut, der den Politikern fehlt. Ein starker Anfang. Beginnt jetzt eine ehrliche Debatte über Gerechtigkeit und Zukunft? Die Gesellschaft könnte ein Repair Café sein für Jung und Alt, das mehr repariert als Bügeleisen und Toaster. Vielleicht schafft man so wieder Chancen für die nachfolgende Generation.
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