Südbadens schönste Fahrradtouren (14)
Auf der Sonnenterrasse: Eine Rundtour durch den Hotzenwald
Hotzenwald - das klingt schattig. Die 45,5 Kilometer lange Tour beweist aber das Gegenteil. Sonnencreme wäre angebracht gewesen. Aus 1000 Metern geht's runter in Richtung Hochrhein.
Di, 16. Mai 2017, 17:07 Uhr
Südwest
Thema: Fahrradtouren
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Entstanden sind diese Landschaften damals in unserer Fantasie. Bei einer Radtour auf dem Hotzenwald sehen wir sie nun wieder, ganz real. Ob bei Hogschür, Giersbach oder Großherrischwand – immer wieder durchqueren wir verträumte Hochtäler, die ohne Weiteres als Motive für Kunstwerke unserer frühen Schaffensphase hätten herhalten können.
Hotzenwald – das hört sich zunächst einmal recht schattig an. Die Tube mit der Sonnencreme haben wir zu Hause gelassen. War ein Fehler. Am Ausgangspunkt unserer Tour, dem Le-Castellet-Platz in Herrischried, erfahren wir, dass die Gegend Sonnenterrasse des Hotzenwalds genannt wird. Das trifft es ziemlich gut. Terrassenartig senkt sich das Mittelgebirge von Höhenlagen um 1000 Meter langsam ab in Richtung Hochrhein. Und Sonne sehen wir reichlich bei der Fahrt durch die offenen, weitläufigen Wiesenlandschaften, die den Hotzenwald prägen.
Vom Ortsteil Rütte geht es erst einmal bergauf an den Waldrand. Dort beginnt der einzige nicht geteerte Abschnitt der Tour, 700 Meter lang – aber kein grober Schotter, sondern festgefahrener Sand, auf dem unsere Rennradreifen sanft dahingleiten. Dünne Nebelschleier ziehen an diesem kühlen Morgen durchs Gehölz, durchleuchtet von Sonnenstrahlen. Von der Ödlandhütte schieben wir unsere Räder hinüber zur Wallfahrtskapelle. Bauern haben sie vor gut 200 Jahren errichtet, zum Dank dafür, dass ihr Vieh von der Rinderpest verschont geblieben war.
Ganz nah – und doch innerhalb des Waldes kaum auszumachen – liegt das Hornbergbecken. Eine gewaltige Betonschüssel zur Stromerzeugung. 4,4 Millionen Kubikmeter Wasser fasst das Oberbecken des Pumpspeicherkraftwerks Wehr. 1700 Meter ist die Dammkrone lang, gut das Vierfache einer Runde in einem Leichtathletikstadion. Ebenso eindrucksvoll wie das Bauwerk ist der Ausblick: auf den Schopfheimer Ortsteil Gersbach und den Rohrenkopf, auf die höchsten Schwarzwaldgipfel, auf die Vogesen im Westen und bei klarer Sicht auf die Alpen.
Eine Abfahrt über wenig befahrene Landsträßchen mit tollen Kurvenradien zaubert danach ein Lächeln auf unser Gesicht. Atdorf, Rüttehof, Hütten – für manchen Städter mag rund um diese Weiler tote Hose herrschen. Für uns jedoch bedeutet es Abschalten. Keine Wellnesshotels, keine Kuckucksuhren, keine Busse voller Urlauber. Nur eine von Beweidung und Landwirtschaft geprägte Schwarzwaldlandschaft – die allerdings vor allem an den Wochenenden auch Motorradfahrer sehr gern ins Visier nehmen. Das kann den Radfahrgenuss dämpfen. Denn zwei Drittel unserer 45 Kilometer langen Tour fahren wir auf Landstraßen.
Diese führen uns weiter nach Rickenbach, wo wir in der Pfarrkirche St. Gordian und Epimach die kunstvollen Glasfenster bestaunen, durch die das einfallende Licht blau und orangefarben auf dem Kirchenboden schimmert. Eine kulturelle Sehenswürdigkeit der anderen Art erwartet uns kurz hinter Hottingen. Von Lichtschaltern über Bügeleisen bis zu gewaltigen Kraftwerksturbinen zeigt das Energiemuseum, wie Energiequellen im Allgemeinen und die Wasserkraft im Speziellen in der Region in früheren Zeiten genutzt wurden und heute noch werden. Zwar öffnet das von einem Förderverein unterstützte Museum ausschließlich sonntags für zwei Stunden, ein Besuch lohnt sich aber auch an den anderen Tagen. Denn im Außenbereich ist unter anderem eine vier Meter hohe und mehr als acht Tonnen schwere Spiralturbine ausgestellt, die 70 Jahre lang in der Papierfabrik Albbruck eingesetzt wurde. Von hier aus müssen wir ordentlich in die Pedale treten, für einige Kilometer geht es bergauf.
Wir folgen dem Oberlauf der Murg ins Hochtal bei Hogschür. Die Landstraße ist hier etwas stärker von Autos und Motorrädern befahren. Dass wir uns hauptsächlich auf Straßen bewegen, ist einer der beiden Gründe, weshalb die Tour sich für Familien mit kleinen Kindern eher weniger eignet. Der andere ist die abwechslungsreiche Topografie: 45 Kilometer im ständigen Auf und Ab. Die Anstiege sind allerdings nie wirklich steil. Selbst wer keine Karriere als Radprofi mehr plant, sollte die Strecke ohne größere Probleme meistern können.
Zwischen Segeten und Görwihl verschafft uns ein Waldstück Abkühlung. Als die Bäume den Blick freigeben auf die schneebedeckten Gipfel der Alpen vor uns und die auf einer Anhöhe errichtete Kirche von Oberwihl zu unserer Rechten, zieht das grandiose Panorama unsere Aufmerksamkeit dermaßen auf sich, dass wir um ein Haar im Straßengraben landen. Überhaupt, die Alpen: An klaren Tagen ist ihr Anblick auf dieser Tour ein ständiger Begleiter.
Wer mehr über die Geschichte und Traditionen des Hotzenwalds erfahren möchte, sollte in Görwihl einen Stopp einlegen und ins Heimatmuseum gehen. Manch älterer Besucher dürfte sich im Nachbau eines originalgetreu eingerichteten Klassenzimmers einer Dorfschule in seine Schulzeit zurückversetzt fühlen. Das dritte Museum am Wegesrand wartet schließlich in Großherrischwand. Der bereits 1424 errichtete Klausenhof ist eines der ältesten erhaltenen Häuser im Schwarzwald und dient heute als Freilichtmuseum. Es beherbergt unter anderem eine wassergetriebene Klopfsäge aus dem 16. Jahrhundert, eine Schmiede sowie ein Backhaus.
Auf der anderen Straßenseite schauen wir in der Glaswerkstatt noch eine Weile einem Glasbläser über die Schulter und erfahren Interessantes über dieses alte Handwerk, das für den Hotzenwald einst ein wichtiger Wirtschaftszweig war. Dann geht es ein letztes Mal aufs Rad. Abendliche Sonnenstrahlen fallen warm auf unsere mittlerweile gut gebräunten Gesichter, als wir den letzten Hügel überqueren, hinüber zu unserem Ausgangspunkt Herrischried.
Strecke: 45,5 Kilometer
Dauer: knapp 4 Stunden
Aufstieg/Abstieg: 852 Meter
Schwierigkeit: mittel
Geeignet für: Tourenrad, E-Bike, Rennrad
Einkehrmöglichkeiten: Restaurants "Christophorus" und "Knoblauchzehe" in Herrischried, "Fliegerklause" beim Segelflugplatz Hütten, Hotel "Alemannenhof" und Gasthaus "Adler" in Rickenbach, "Iferhus" und Gasthof "zum Hirschen" in Strittmatt, Landgasthof "Kranz" in Segeten
Start und Ziel der Tour: Le-Castellet-Platz in Herrischried; Geogr. 47.666745 N 8.000809 EUTM 32T 424986 5279745
Koordinaten: Die GPS-Daten der Tour stehen auf der Homepage des Schwarzwald Tourismus kostenfrei zum Download bereit. mehr.bz/hotzenwaldpur
Anreise: Der Radbus Hotzenwald fährt in diesem Jahr nicht. 2018 soll der Betrieb nach Auskunft der Tourist-Info Herrischried wieder aufgenommen werden.
Sehenswertes: Ödlandkapelle bei Herrischried, Hornbergbecken, Kirche St. Gordian und Epimach in Rickenbach, Energiemuseum in Hottingen, Heimatmuseum in Görwihl, Freilichtmuseum Klausenhof in Großherrischwand
Parken: Le-Castellet-Platz in Herrischried
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ