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Angstschreie sind die größte Anerkennung

Im Europa-Park arbeiten zurzeit professionelle Erschrecker.  

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Nett bis gruselig: Wie Marco Sorrentino zum Erschrecker wird.   | Foto: DPA
Nett bis gruselig: Wie Marco Sorrentino zum Erschrecker wird. Foto: DPA
RUST. Kunstblut auf den Kopf, Kontaktlinsen mit gruseliger Optik in die Augen, graue Farbe ins Gesicht. Dazu ein langer brauner Mantel und die große, schwere Schaufel in die Hand. Bevor Marco Sorrentino den Dienst beginnt, muss er sich gründlich vorbereiten. Und fast eine Stunde lang in der Maske stillsitzen. Der 38-Jährige arbeitet als Erschrecker, er macht das Gruseln zur Show. Applaus bekommt er nicht. Angstschreie und rennende Menschen sind die größte Anerkennung. Rund um Halloween an diesem Samstag (31. Oktober) haben Sorrentino und seine Kollegen Hochsaison.

"Es ist ein Kindheitstraum, sich zu verkleiden und Menschen zu erschrecken", sagt Sorrentino. Für den Mann aus dem Schwarzwald beginnt jedes Jahr im Herbst die Arbeit. Aus dem gelernten Betonfertigbauer wird dann der Schaufelmann. Er ist einer von mehr als 250 Darstellern der Horror Nights (Schreckensnächte) im Europa-Park in Rust. Solche Gruselshows seien bislang in den USA bekannt, fänden aber auch hierzulande immer mehr Anhänger, sagt Klaus-Michael Machens, Präsident des Verbandes deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen (VDFU). "Sie üben eine Faszination aus, die es früher in dieser Form in Deutschland nicht gab." Entsprechende Angebote gebe es inzwischen in mehreren deutschen Städten. Das Gruseln ist auch für die Freizeitindustrie zum Geschäft geworden.

Ohne reichlich Schminke geht es nicht. Die sechs Maskenbildner in Rust brauchen dreieinhalb Stunden, bis aus den Darstellern Zombies, Monster oder Geister werden. Gearbeitet wird mit Latex, Silikon und viel Farbe, die als Airbrush mit Sprühdosen aufgetragen wird.

Künstliche Wunden entstehen ebenso wie Fantasiefiguren und andere gruselige Gestalten. Die Schaufel ist für Sorrentino und seine Rolle wichtig. Er hat sie von der Baustelle mitgebracht. Wenn es Nacht wird, zieht er das Metallgerät hinter sich auf dem Boden her – was einen Höllenlärm und Angstzustände verursacht.

"Erschrecken funktioniert durch das Unerwartete", sagt der 38-Jährige. In einem dunklen Raum stellt er sich regungslos zwischen mehrere lebensgroße Puppen. Die Besucher tasten sich zwischen ihnen hindurch – bis sich plötzlich eine von ihnen bewegt. Es ist Sorrentino, der Lärm macht. Oder er schleicht sich an eine Gruppe heran, die nichts ahnt. "Frauen erschrecken sich leichter als Männer. Und sie reagieren auch heftiger", sagt er. Schreien und Kreischen ist das Ziel, das ist sein Applaus. "Männer versuchen, cool zu sein." Doch sie schaffen es nicht immer. Rennen sie weg, läuft Sorrentino hinterher – stets die Schaufel im Schlepptau. Zur Belustigung der Umstehenden. "Das ist dann ein Erfolgserlebnis."

Erschrecken, sagt einer der Darsteller, ist Arbeit. Lange ausharren und auf den richtigen Moment warten. Und ein Gefühl dafür finden, wo die Grenze ist. "Das Opfer muss sich erschrecken, aber am Ende auch wieder aufatmen können", sagt der Chef der Truppe, der US-Amerikaner Bill McCoy (43). Kleine Kinder seien ebenso tabu wie Menschen, die unter ihrer Angst litten. "Zu Tode erschrecken darf sich niemand."

Das Gruselfest Halloween ist in Deutschland angekommen und zur Tradition geworden, wie der Freiburger Volkskundler Werner Mezger sagt. "Es ist ein Brauch mit vielen Events und Eigeninitiativen." Eines der Geheimnisse sei, ähnlich wie bei Fasching und Karneval, der Mitmachcharakter. Jeder sei frei darin, wie er sich beteilige. "Jeder kann in eine Rolle schlüpfen, so dem Alltag für eine gewisse Zeit entfliehen und Grenzen überschreiten." Das Grauen sei Teil der Faszination, ohne dass es mit ernsthafter Angst verbunden werde. Vorbehalte, etwa von Kirchen, gebe es keine mehr, sagt Mezger. Denn Geister und Vampire hätten heute, im Gegensatz zu früher, ein positives Image. Dazu hätten auch Filme und Bücher wie etwas das Kinderbuch "Der kleine Vampir" beigetragen.

Sorrentino ist noch bis zum 7. November jeden Abend für mehrere Stunden im Einsatz. Wenn es spät wird, fährt er im Kostüm nach Hause, ohne sich abzuschminken. Neulich, erzählt er, kam er in eine Polizeikontrolle. "Ich habe noch nie in meinem Leben so entgeisterte Gesichter gesehen."

Ressort: Südwest

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