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Kulturpolitik

Andere Idole erwünscht: Peking geht gegen "feminine" Schauspieler vor

Chinas Staatsführung hat Angst um die Männlichkeit ihrer Jugend. Androgyne Stars zählen seit Jahren zu den beliebtesten Idolen von Teenagern. Sie sollen nun aus dem TV verbannt werden.  

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„Weiblicher Stil“: Androgyne Männer wie Kris Wu, Sänger und Model, sollen von der Bildfläche verschwinden. Foto: Stringer via www.imago-images.de
Die paranoide Staatsführung Chinas hat Angst um die Männlichkeit ihrer Jugend. Chinas Unterhaltungsindustrie unterliegt ohnehin bereits einer extrem strikten Zensur. Doch am vergangenen Donnerstag ordnete die staatliche Fernsehbehörde einen Boykott an, der selbst für hiesige Verhältnisse einen neuen Tiefpunkt darstellt: Sämtliche Männer "mit weiblichen Stil und anderer abnormaler Ästhetik" sollen aus dem TV verbannt werden.

In der Ankündigung verwendeten die Regierungsvertreter auch den überaus vulgären Begriff "Niang Pao", der sich als beleidigende Diffamierung für Schwule übersetzen lässt. Pekings Parteikader plustern sich derzeit so stark als Volkserzieher auf wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dabei greifen sich auch in höchst private Lebensbereiche ein.

Böse Erinnerungen an die Kulturrevolution werden wach

Der Jugend wurde von der Regierung aus Angst um deren "mentale und körperliche Gesundheit" das Online-Gaming unter der Woche verboten und gleichzeitig ein neues Unterrichtsfach über die Lehre von Staatschef Xi Jinping aufgezwungen. Und etliche Stars, die in Skandale verwickelt sind, verschwanden über Nacht aus den Online-Archiven – auch hier argumentiert die Staatsführung mit dem scheinbar schlechten Einfluss auf die Jugend.

"Der Kulturbetrieb wird nicht länger ein Paradies sein für nymphomane Stars", staatliche Nachrichtenagentur Xinhua
Viele Beobachter fühlen sich bereits an die dunkle Vergangenheit der Kulturrevolution (1966–1976) erinnert, als Landesgründer Mao Tse-tung hinter allem und jedem konterrevolutionäre Kräfte vermutete. Genährt werden solche Vergleiche auch durch ideologisch aufgeladene Texte, die die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bei ihrem chinesischsprachigen Dienst veröffentlicht. Dort heißt es unter anderem, dass die Neuregelungen "den ganzen Staub wegwischen. Die Kapitalmärkte werden nicht länger ein Paradies für Kapitalisten sein, die über Nacht reich werden, der Kulturbetrieb wird nicht länger ein Paradies sein für nymphomane Stars, und die Nachrichten werden nicht mehr westliche Kultur anhimmeln". Und weiter: "Wir müssen daher das gesamte kulturelle Chaos kontrollieren und eine lebhafte, gesunde, maskuline und menschenorientierte Kultur aufbauen".

Dabei sollen nun auch sämtliche "feminine" und "politisch unkorrekte" Schauspieler ausgelöscht werden. Die androgynen Stars zählen jedoch seit Jahren zu den beliebtesten und bestbezahlten Idolen der Jugend. Sie stehen im starken Gegensatz zu der älteren Generation an Berühmtheiten, die noch mit Machismo und offenem Patriotismus die Massen begeisterten. In den 2000er-Jahren schwappte der Trend erstmals von Südkorea auf das Festland hinüber. Die K-Pop- Boybands aus Seoul verkörperten schon damals eine androgyne Ästhetik, die sich – zumindest an der Oberfläche – wenig um traditionelle Geschlechterrollen scherte: Make-Up, Skinny-Jeans und schrill gefärbte Haare.

Den meist über 60-jährigen Machthabern waren die "verweichlichten" Jungen ein Dorn im Auge

Schon wenige Jahre später flanierte auch die Jugend Shanghais und Pekings im Look der neuen Männlichkeit durch die Straßen. Den meist über 60-jährigen Machthabern im Pekinger Regierungssitz waren die "verweichlichten" Jungen schon länger ein Dorn im Auge. Die Parteikader setzen schließlich traditionelle Männlichkeit mit Nationalismus gleich und glauben, dass es sich bei Androgynität um einen Kulturimport aus dem korrupten Westen handele.

Die konservativen Staatsmedien bezeichnen die männlichen Stars als "xiao xian rou", was sich etwa als "junges Frischfleisch" übersetzen lässt – und eindeutig als Beschimpfung intendiert ist. Öffentliche Kritik an der neuen Regierungsmaßnahme lässt sich im autoritären China wenig vernehmen. In den Staatszeitungen wird sie wie zu erwarten euphorisch gefeiert. "Fangruppen sind ein derart geschlossener Kreis, dass Zweifel oder unterschiedliche Ansichten über die Idole nicht erlaubt sind. Junge Fans glauben, dass ihr Star perfekt ist", heißt es etwa in einem Artikel der Global Times.

Der Propagandazeitung fiel offensichtlich die unbeabsichtigte Ironie nicht auf: Jene Kritik lässt sich wort wörtlich auch auf den absurden Persönlichkeitskult um Staatschef Xi Jinping ummünzen. Der starke Führer des Landes ist seit dem neuen Schuljahr nun auch höchst offiziell Unterrichtsfach für die Jugend. In einem der neuen Lehrbücher für die Kinder des Landes heißt es: "Wir alle lieben unser Mutterland zutiefst. Wie Großvater Xi sagte, ist Patriotismus das grundlegendste und beständigste Gefühl der Menschen. Es ist die Quelle unserer Tugend".

Ressort: Kultur

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 07. September 2021: PDF-Version herunterladen

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