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Lebensmittel

Maissirup aus den USA - ein Dickmacher macht sich breit

In den USA ist Maissirup seit Jahrzehnten ein umstrittener Verkaufsschlager / Nun steht er vor dem massenhaften Einsatz in der EU.  

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Sirup aus Mais süßt vor allem Softdrinks.  | Foto: Coco194 (fotolia.com)
Sirup aus Mais süßt vor allem Softdrinks. Foto: Coco194 (fotolia.com)

FREIBURG. Süß, süßer, Maissirup: In den USA steckt die Glukose-Fruktose-Mischung seit den 1970er-Jahren massenhaft in Softdrinks und Joghurts. Mit dem Wegfall der EU-Zuckerquoten dürfte sich der Dickmacher auch in Europa etablieren.

Fruchtzuckersirup – was gesund klingt, steht im Verdacht, in größeren Mengen gesundheitsschädlich zu sein. In den USA setzt die Lebensmittelindustrie seit etwa vier Jahrzehnten auf den preiswerten Süßstoff, der meist aus Mais hergestellt wird. Während in Übersee inzwischen Ökoläden für Import-Cola mit dem Slogan werben, dass sie frei von Maissirup sei, droht sich der Dickmacher in Europa erst noch breitzumachen: 2017 fallen die europäischen Zuckerquoten, welche bislang die Produktion von Zucker in der EU regulieren.

Die EU-Kommission prognostiziert, dass sich damit der europaweite Verbrauch der Süßstoffe, die vermehrt Fruchtzucker – sprich: Fruktose – enthalten, von derzeit jährlich rund 600 000 Tonnen bis zum Jahr 2024 auf 2,3 Millionen Tonnen pro Jahr fast vervierfachen dürfte. Der Marktanteil für die Glukose-Fruktose-Mischungen würde von rund fünf Prozent auf mehr zwölf Prozent steigen, heißt es im aktuellen EU-Jahresbericht über die Agrarmärkte.

Eine noch deutlich höhere Quote – in den USA liegt sie bei rund 40 Prozent – befürchtet Per Bendix Jeppesen, Diabetesforscher an der dänischen Universität Aarhus. Schließlich sei das Zuckerkonzentrat süßer, billiger und leichter zu verarbeiten als gewöhnlicher Zucker aus Rüben oder Zuckerrohr – und das könne Folgen für die Gesundheit haben. Jeppesen warnt Europa vor einer "Fettleibigkeits- und Diabetesepidemie", wie sie in den vergangenen Jahrzehnten die USA getroffen habe. "Die Leber kann Glukose gut zu Glykogen verarbeiten, während Fruktose häufiger in Form von Fett gespeichert wird und so Insulinresistenzen fördert", erklärt der Forscher. Zu den möglichen Folgen zählten Fettleber, Adipositas und Typ-2-Diabetes. Das Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin teilt mit, dass ein Zusammenhang zwischen der Verwendung von Maissirup und Adipositas in den USA noch nicht abschließend beurteilt worden sei. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Süßwarenindustrie aus dem Jahr 2009.

Dennoch bleibt Maissirup umstritten. Dabei steckt die Süße auch in Deutschland bereits in Lebensmitteln. In dunklem Brot genauso wie in Soßen oder Joghurts. Sie wird auch hierzulande produziert. Bisher jedoch verarbeitet die Lebensmittelindustrie den Süßstoff, bei dem ein Teil der Glukose aus Maisstärke mithilfe von Enzymen zur süßeren Fruktose umgewandelt wird, in Europa nur in kleinen Mengen. Die Produktion ist ähnlich wie bis vor Kurzem bei der Milch reglementiert – insbesondere um die Zuckerrübenbauern der EU zu schützen.

Doch die Industrie freut sich schon auf den Fall der Quoten. Schließlich hätten sie sich als Hemmnis für die Versorgung erwiesen und behinderten eine freie Markt- und Preisentwicklung, teilt eine Sprecherin des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie mit. Dass Maissirup dann vermehrt in Süßwaren vorkommt, glaubt sie aber nicht. Der Sirup eigne sich wegen seiner flüssigen Konsistenz eher für Getränke. Außerdem seien möglichen Änderungen der Rezepturen gesetzliche und der Verarbeitung technische Grenzen gesetzt. Auch Jeppesen sieht den größten Markt für Maissirup bei Softdrinks, rechnet aber auch mit nennenswertem Einsatz des Sirups in Süßigkeiten: "Es gibt viele Produkte wie Cremes oder Kuchen, bei denen die nicht kristallisierende Konsistenz gefragt ist."

Forscher: Der Stoffwechsel könnte gestört werden.

Egal, wo er verarbeitet wird: Eine Studie des bundeseigenen Thünen-Instituts kommt zum Schluss, dass eine Umstellung Pfadabhängigkeiten auch für künftige Produkte mit sich bringt – etwa wegen des Umbaus der teuren Maschinen. Denn grundsätzlich, so das Institut, seien Glukose-Fruktose-Mischungen "sehr wettbewerbsfähig". Vor allem deshalb diskutiert auch der Deutsche Bauernverband (DBV) das Thema intensiv. Manche Bauern fürchten um ihre Existenz, andere würden profitieren. Doch für den wahrscheinlichen Erfolg des Sirups spielen noch andere Dinge eine Rolle. Er hänge etwa auch "von der Bereitschaft der Verbraucher ab, ein anderes Süßungsmittel zu akzeptieren", heißt es in der Deutschen Bauern-Korrespondenz. Bei der EU-Kommission heißt es auf Anfrage, man sei sich angesichts des geplanten Wegfalls der Zuckerquoten des "öffentlichen Interesses" bewusst und wolle weiterhin aufmerksam verfolgen, wie viel mehr Maissirup verbraucht werde.

Während die Kommission abwartet, fürchtet Per Bendix Jeppesen bereits die Folgen des vermehrten Konsums, die er im Tierversuch als belegt ansieht. Schützenhilfe erhält er nun von einer US-Studie der Universität von Utah, die von weiteren Nachteilen des Süßstoffs berichtet: Maissirup habe bei weiblichen Mäusen zu Unfruchtbarkeit geführt und die Lebenserwartung gesenkt. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) teilt mit, ihm lägen Hinweise aus Studien vor, "dass zu hohe Mengen an Fruktose in der Ernährung ungünstige Auswirkungen auf den Stoffwechsel haben". Ein Humanversuch steht noch aus. Allerdings wäre der laut Jeppesen angesichts der jahrzehntelangen Laufzeit ethisch fragwürdig.

Ressort: Wirtschaft

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