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Wieder mehr Straftaten an Schulen

Zahl der Körperverletzungen nahm 2017 besonders stark zu / Schüler beklagen Mobbing / Ministerin will Prävention verbessern.  

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Nicht jede Rangelei ist gleich eine St...ber an den Schulen geht es rauer zu.    | Foto: dpa
Nicht jede Rangelei ist gleich eine Straftat, aber an den Schulen geht es rauer zu. Foto: dpa

STUTTGART (dpa). Die Zahl der an Schulen verübten und von der Polizei erfassten Straftaten ist in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr um fünf Prozent gegenüber 2016 auf 13 209 gestiegen. Das ist der höchste Wert seit fünf Jahren, der Trend ist bundesweit zu beobachten. Zugleich ging die Zahl der Straftaten insgesamt bundesweit zurück.

Mehrere Bundesländer haben in ihren Kriminalstatistiken für 2017 erstmals seit Jahren wieder einen teils spürbaren Anstieg von Kriminalität und Gewalt registriert. Ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) in Stuttgart betonte zwar, dass diese Daten sich lediglich auf die Schule als Tatort bezögen und nicht zwangsläufig auch etwas mit dem Schulbetrieb zu tun haben müssten. Dass es eine Zunahme von Gewalt und Straftaten an den Schulen gebe, sei aber in der täglichen Schulpraxis allgegenwärtig, heißt es beim Verband Bildung und Erziehung Baden-Württemberg (VBE). Und längst nicht alle Fälle erreichten die Polizei.

"Es fehlt oft am nötigen Respekt gegenüber anderen Schülern und Lehrern und gegenüber Sachgegenständen", sagte der stellvertretende VBE-Vorsitzende Michael Gomolzig. Auch ein Unrechtsbewusstsein sei bisweilen gering ausgeprägt. Solche Probleme an den Schulen nähmen zu. Betroffen seien alle gesellschaftlichen Schichten und Nationalitäten.

Schülerbeirat beklagt wachsende verbale Gewalt

Gomolzig beklagte auch, dass bei Problemen bisweilen weggeschaut werde. "Es ist schwierig, wenn falsches Verhalten folgenlos bleibt, weil der Schüler es als richtig lernt." Viele Schüler lebten in Angst, sagte Gomolzig. Allein die Zahl der erfassten Körperverletzungsdelikte erreichte 2017 mit 1621 Fällen den höchsten Wert seit 2011.

Der Landesschülerbeirat sieht vor allem die verbale Gewalt und das Mobbing mit Sorgen. "Das Schlimme ist, dass die verbale Gewalt alltäglich geworden ist", sagte der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, Leandro Karst. Dabei gehe es vor allem auch um Kraftausdrücke, die schon junge Schüler benutzten. Neben schulischer Gewaltprävention und teambildenden Maßnahmen müsse es auch schülergerechte Kooperationen mit externen Partnern geben, sagte er. Trainiert werden könnten da etwa die Selbstverteidigung.

Eine Herausforderung ist das Thema nicht zuletzt für das Bildungsministerium. "Gewalt darf weder zum Berufsbild einer Lehrkraft gehören noch zum Alltag an unseren Schulen. Wir brauchen starke Schulgemeinschaften, in denen alle dazu beitragen, Gewalt zu verhindern", sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Fähigkeiten wie werteorientiertes Handeln und das gewaltfreie und konstruktive Lösen von Konflikten seien aktueller denn je. So habe etwa das Präventionskonzept "stark.stärker.WIR" viele Schulen auch für die oft unterschwellige Gewalt sensibilisiert.

Was Lehrern außerdem Sorge bereitet, ist das Veröffentlichen von Videomaterial, das wehrlose Schüler herabwürdigt, im Internet. "Mobbing und ein zunehmend rücksichtsloser Umgang im Internet zeigen, dass auch die Stärkung der Medienkompetenz in diesem Zusammenhang unabdingbar ist. Wir setzten deshalb auch hier einen Schwerpunkt", sagt Eisenmann. Die Verhinderung von Gewalt habe einen hohen Stellenwert an den Schulen im Südwesten.

Die Zunahme der Straftaten geht nicht zuletzt mit einem Anstieg der Zahl der Tatverdächtigen einher – und zwar um 12,4 Prozent auf 5793 im Vergleich zu 2016. Die größten Gruppen waren deutsche Jugendliche und Kinder. Auffällig war der vergleichsweise starke Anstieg bei Verdächtigen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. In der großen Überzahl waren die Tatverdächtigen laut Statistik aber männliche deutsche Staatsangehörige.

Auch mit Blick auf diese Zahlen betonte das LKA, dass die Tatverdächtigen keine Beziehung zu Schulen haben müssten. So werden zum Beispiel die nach Unterrichtsschluss verlassenen Schulhöfe Tatort von Rauschgiftdelikten, ohne dass die Täter einen Bezug zur Schule hätten.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer betonte, generell gebe es in den vergangenen 20 Jahren den Trend, dass schwere Gewalt an Schulen deutlich zurückgegangen sei. Zugenommen habe aber Cybermobbing, also Hetze gegen andere Jugendliche über soziale Medien oder im Internet. "Da ist noch ein großer Auftrag an die Schulen, die glänzende Arbeit zu Bekämpfung der körperlichen Gewalt geleistet haben in den letzten 20 Jahren." In der Fortbildung der Lehrer finde das Thema noch viel zu wenig statt.

Am 8. Mai will Innenminister Horst Seehofer die Kriminalitätsstatistik für 2017 vorstellen. Bereits jetzt ist bekannt geworden, dass die Zahl der Straftaten auf 5,76 Millionen (minus 9,6 Prozent) zurückgegangen ist. Bei der gemeldeten Gewaltkriminalität wurde laut dem Bericht ein Rückgang um 2,4 Prozent auf rund 189 000 Fälle verzeichnet. "Die Zahlen gehen in die richtige Richtung", sagte der stellvertretende Unions-Fraktionschef Stephan Harbarth. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, relativierte den Rückgang etwas. Mehr als die Hälfte des Straftatenrückgangs falle auf Verstöße gegen Aufenthaltsbestimmungen.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 23. April 2018: PDF-Version herunterladen

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