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Wahlen im Iran

Wie Präsident Ruhani zermürbt werden soll

Reformpläne des iranischen Präsidenten werden von vielen Seiten bekämpft. Dieser aber ist gut vernetzt. Reformer dürfen antreten.  

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Den Iran kennzeichnet, dass dort ein vielschichtiges politisches System entwickelt wurde, indem es demokratische wie autoritäre Elemente gibt. Diese Merkmale treten bei den Wahlen zum Parlament und zum Expertenrat (siehe Kasten) zutage.



Wer tritt bei der

Parlamentswahl an?

Im Iran gibt es zwar Parteien, sie entsprechen aber nicht den unseren. Man muss sie sich eher als Gruppierungen oder Fraktionen vorstellen. Im wesentlichen gibt es drei Strömungen: Reformer, Konservative und Fundamentalisten. Alle Strömungen sind islamisch orientiert, doch innerhalb dieses Rahmens gibt es große Unterschiede. Bei der aktuellen Wahl für die 290 Parlamentsabgeordneten treten Vertreter aus allen drei Richtungen an. Der Wächterrat (siehe Kasten) hatte zunächst fast alle Reformer ausgeschlossen. Nach Intervention von Präsident Hassan Ruhani gehören nun 1500 von 6200 Kandidaten zum Reformlager.



Wer sind Reformer, Konservative

und Fundamentalisten?

Sowohl Konservative als auch Fundamentalisten stehen hinter den Prinzipien der iranischen Revolution von 1979 und dem damals etablierten System (siehe Kasten). Deshalb nennt man sie auch "Prinzipalisten". Die Fundamentalisten begegnen dem Westen gegenüber feindselig. Auch der frühere Präsident Mahmud Ahmadinedschad (2005 bis 2013) zählt zu diesem Lager. Er fiel immer wieder durch Hetze gegen die USA und Israel. Diesem sprach er das Existenzrecht ab. Die Konservativen sind dem Westen gegenüber kritisch, aber etwas weniger feindselig gestimmt. Sie befürworten Kontakte zum Westen in einem engen Rahmen.

Die Reformer, zu denen Ruhani zählt, machen sich für innenpolitische Veränderungen stark. So hat Ruhani versprochen, im Rahmen der Islamischen Republik für mehr Rechtstaatlichkeit zu sorgen. Bei den Wahlen 2013 war er auch erfolgreich, weil er mehr Freiheitsrechte versprochen hat. Dazu zählen mehr Pressefreiheit und etwas gelockerte Kleidervorschriften für die Frauen. "Er will das Staatsbürgertum stärken", sagt Walter Posch, Iran-Experte bei der Landesverteidigungsakademie in Österreich. Die Reformer treten für eine Annäherung an den Westen ein. Ruhani ist es zu verdanken, dass das Atomabkommen zwischen dem Iran und den fünf UN-Vetomächten sowie Deutschland im August 2015 zustande kam. Um sicherzugehen, dass der Iran keine Atombombe baut, verpflichtet er sich, strenge Kontrollen zuzulassen und kein hochangereichertes Uran mehr zu produzieren. Im Gegenzug dazu hebt der Westen seine Sanktionen gegenüber dem Iran auf.

Warum musste der Wächterrat

Reformer doch zulassen?

"Ruhani ist ein Schwergewicht in der iranischen Politik", sagt Walter Posch. Er sei mit dem System bestens vertraut und wisse, wie er innerhalb des Systems seine Interessen durchsetzen könne. So war Ruhani mehrere Jahre Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Chefunterhändler in den Atomverhandlungen mit dem Westen und Mitglied des Expertenrats. Posch geht davon aus, dass er die Unterstützung des Obersten Führers Ali Khamenei hat, sonst wäre es nicht gelungen, doch Reformer zur Wahl zuzulassen. Die ganz Prominenten fehlen allerdings auf der Liste. Khamenei teile mit Ruhani das Interesse, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern. Auch für die Atomverhandlungen hatte Ruhani offensichtlich die Zustimmung Khameneis. Gerade fundamentalistische Kreise witterten dagegen im Abkommen einen Ausverkauf iranischer Interessen.

Wer tritt bei der Wahl

zum Expertenrat an?

Der Expertenrat wird ebenfalls neu gewählt. Auch da gab es Probleme bei der Kandidatenaufstellung, weil der Wächterrat 639 von 800 Bewerbern ausgesiebt hat, so auch den Enkel des Staatsgründers Ajatollah Khomeini, der als Reformer gilt. Im Reformlager gab es Proteste, die ungehört blieben. Die Zusammensetzung des Rats ist künftig nicht unbedeutend, weil der Expertenrat eventuell den kommenden Obersten Führer wählt. Khamenei ist 76 Jahre alt und hat Prostatakrebs.

Wie sieht die Menschenrechtslage

unter Ruhani aus?

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagt in ihrem jetzt veröffentlichten Bericht die Menschenrechtslage, die sich seit Amtsantritt Ruhanis 2013 nicht verbessert hat. Die Zahl der Hinrichtungen sei hoch – sie ist eine der höchsten international –, Folter und Misshandlungen von Strafgefangenen sei nach wie vor an der Tagesordnung, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Regierungskritiker würden weiterhin willkürlich festgenommen.

Warum hat sich die Lage der

Menschenrechte nicht verbessert?

Iran-Experte Posch meint, dass dies nicht dem Präsidenten anzulasten sei, dieser strebe Verbesserungen an. Innerhalb des Systems gebe es aber Kräfte, die gegen Ruhani arbeiten und deshalb etwa die Zahl der Hinrichtungen forcierten. Posch spricht von einem Zermürbungskrieg. Zu den Gegnern Ruhanis zählen fundamentalistische Kreise, darunter auch ein Teil der Revolutionsgarden (Pasderan). Diese sind eine paramilitärische Organisation, deren Aufgabe es ist, das Regime zu schützen. Unter Ahmadinedschad waren 13 von 21 Ministerposten mit Revolutionsgardisten besetzt. Feinde hat Ruhani insbesondere im Geheimdienst der Pasderan. Diesem passt es nicht, dass Ruhani versucht, sein Eigenleben zu beschneiden. Den Revolutionsgarden untersteht auch ein Firmenimperium. Sie gelten als größter Unternehmer des Landes. Da Ruhani diesen Bereich transparenter machen will, gibt es auch da deutlichen Widerstand. Der Oberste Führer Khamenei versucht immer wieder, die Interessen beider Strömungen auszutarieren.

Welche Rolle spielen

Frauen bei der Wahl?

586 der 6200 Kandidaten für die Wahl sind Frauen. Einen so hohen Frauenanteil gab es in der iranischen Geschichte bisher nicht. Frauenrechtlerinnen schreiben das auch Ruhani zu, der versprochen hatte, die Frauenrechte zu stärken.



Wie sehen die Chancen

der Reformer bei der Wahl aus?

Iran-Experte Posch ist unschlüssig, wie gut die Chancen der Reformer bei der Parlamentswahl stehen. Allein die Tatsache, dass sie nach dem anfänglichen Ausschluss wieder zugelassen wurden, wertet er als Erfolg. Allerdings haben die verschiedenen Gruppierungen nicht denselben Zugang zu den Medien, was es Reformkandidaten erschweren könnte, von den Wählern wahrgenommen zu werden.

Wie zufrieden sind die Iraner

mit der Entwicklung?

Auch wenn die Reformen im Bereich der Freiheiten und Menschenrechte nicht so vorankommen, wie es sich viele Wähler Ruhanis erhofft hatten, glaubt Posch, dass sie nicht so schnell auf die Straße gehen werden – wie das nach den der Wahl von Wahlen 2009 der Fall war. Damals war Ahmadinedschad wiedergewählt worden. Viele Kritiker des Regimes glaubten an Wahlfälschung. "Bei vielen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man nicht alles erzwingen kann", so Posch. Man wolle lieber langsame Verbesserungen. Diese traut man Ruhani zu. Abschreckende Beispiele dürften für die Iraner die Nachbarstaaten Irak und Syrien sein, wo die Systeme zum Teil zusammengebrochen sind und sich Gewalt ausbreitet.



Wie sieht die wirtschaftliche Lage

nach dem Atomabkommen aus?

Viele Iraner haben das von Ruhani initiierte Abkommen gefeiert, weil sie sich von der Aufhebung der Sanktionen einen wirtschaftlichen Aufschwung erhofften. Tatsächlich zeigen sich unter Ruhani bereits Verbesserungen. Lag die Inflationsrate 2013 bei 40 Prozent, so ist sie auf 15 Prozent gesunken, wie Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik darlegt. Dringend benötigte Güter für die Landwirtschaft und den Maschinenbau könnten jetzt eingeführt werden. Allerdings gibt es für Investoren noch erhebliche Probleme. So ist im Iran die Rechtsunsicherheit groß, die vielen Staatsunternehmen arbeiten wenig transparent.

Ressort: Ausland

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