Theorieprüfung
Wie Führerscheinanwärter bei der Prüfung schummeln
Schummler rüsten auf: Einige Führerscheinanwärter treten mit Minikameras im Haar und winzigen Lautsprechern im Ohr zur Theorieprüfung an. Prüfer sprechen von einer Art Wettrüsten.
Do, 2. Feb 2017, 14:02 Uhr
Südwest
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Sein Verein nimmt die Prüfungen ab. Das passiert seit 2010 nicht mehr mit standardisierten Bögen, sondern per Tablet-Computer. Die Spickerei sei zu keiner Zeit so auf die Spitze getrieben worden wie heute, sagt Kaup: "Zahlen liegen noch nicht vor, aber im Vergleich zu den Vorjahren ist schon ein deutlicher Anstieg erkennbar." Die Vorjahreszahlen werden jedoch nicht veröffentlicht.
Nicht alle Fahrschulen bestätigen den Trend. Doch auch Sascha Fiek, der in Freiburg die Academy-Fahrschulen führt, sagt: "Im letzten Jahr waren es vielleicht drei oder vier Fälle." Das ist eine Steigerung um 100 Prozent – in den Vorjahren seien es zwei Schüler gewesen. Nachvollziehen kann er die Mogeleien nicht: "Da werden Unsummen in Betrugsversuche investiert, lernen ist einfacher."
TÜV-Leiter Kaup führt aus: "Heute steckt man sich eine kleine Kamera in die Haare oder ans Hemd. Die Kameras sind stecknadelkopfgroß. Damit werden Bilder aufgenommen und von außen bekommt man die Rückmeldung: ,Die erste und die dritte Antwort sind richtig.‘" Die Menschen sind bequemer geworden, findet Kaup. "Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die zunächst gar nichts mit dem Führerschein zu tun hat."
Die TÜV-Prüfer werden jetzt mindestens zweimal jährlich auf den neusten Stand in Sachen Schummelmethoden gebracht.
"Es ist nicht so, dass diese Leute gar nichts wissen. Sie haben oft vielleicht auch nur Lernschwierigkeiten", sagt Kaup. Auch Verständnisprobleme spielen eine Rolle. Dies bestätigt auch Fahrlehrer Fiek. Er bekomme auch mit, dass nicht jeder Führerscheinanwärter den Lektionen folgen kann – verweigern kann er die Anmeldung zur Theorieprüfung aber niemandem.
"Ob Betrugsversuche tatsächlich zugenommen haben, wissen wir nicht", sagt allerdings der Vorsitzende des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg, Jochen Klima. Ein Grund für die höheren Fallzahlen – für 2016 geht er von rund 50 im Land aus – könne sein, dass die Prüfer sensibilisiert seien. Wie immer sei die Dunkelziffer höher und unbekannt.
Fiek und Kaup berichten übereinstimmend, dass ein Großteil der Ertappten sofort alles zugibt, nur in wenigen Fällen müsse die Polizei anrücken. "Rechtlich gesehen ist das aber kein Betrug", sagt Frank Franz, Sprecher im Freiburger Präsidium, "da keine schädigende Vermögensverfügung stattfindet." Die Prüfungsgebühr habe der Schummler ja entrichtet.
Anders sieht es aus, wenn nicht derjenige die Prüfung ablegt, der den Führerschein will: Fälle, in denen Prüflinge mit falschen Identitäten antreten, seien zwar selten, berichtet Kaup, doch auch sie nehme zu. "Diese Leute können in der Regel nicht fahren und kennen die Regeln nicht – das stellt für alle Beteiligten im Straßenverkehr eine massive Gefahr dar", warnt Kaup.
Der Test kann beliebig oft wiederholt werden – falls die Zulassungsbehörde keine Sperre verhängt. Wer beim Schummeln erwischt wird, muss meist ein halbes Jahr warten, bis er die Prüfung wiederholen kann. Und wer eine falsche Identität angibt oder seinen Ausweis für eine Mogelei verleiht, der macht sich eines Urkundendelikts strafbar. Und die ist dann wirklich ein Fall für die Polizei.
Der Verbandsvorsitzende Klima fordert schon länger, auch Schummelei müsse als Straftatbestand und als Betrug gewertet werden: "Es handelt sich letztendlich um Betrug an der Verkehrssicherheit."
173 824 Erstanmeldungen zur theoretischen Führerscheinprüfung gab es laut Statistik des Kraftfahrt-Bundesamts in Baden-Württemberg 2015, hinzu kommen 70 055 Anmeldungen von Wiederholern. Von diesen 243 879 Prüfungen wurden 33,9 Prozent nicht bestanden. Die Durchfallquote liegt damit nur leicht über dem Bundesdurchschnitt von 33 Prozent.
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