Widerstand gegen Justizreform
Zehntausende Polen gehen auf die Straße, weil sie die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr sehen.
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Es ist ihre erste Demonstration. Kurz vor Mitternacht skandieren Anna, Tomek und ihre Freunde vor dem hell erleuchteten Präsidentenpalast in Warschau: "Wir wollen ein Veto!" und "Freie Gerichte!". Alle fünf studieren Jura. Anna will einmal Richterin werden. Zusammen mit zehntausenden Demonstranten versucht sie im letzten Moment, die umstrittene Reform der Justiz zu verhindern. "Der Präsident ist auch Jurist. Er hat in Krakau studiert", sagt Anna verzweifelt. Sie hat Tränen in den Augen. "Nur er kann mit einem Veto die Katastrophe noch aufhalten. Aber auch er ist ja ein PiS-Mann".
In die Menge gerät Bewegung. Polizisten bahnen sich den Weg zum Präsidentenpalast. Dort ruft der Bürgerrechtler Wladyslaw Frasyniukaus den Demonstranten zu: "Wir müssen die Gerichte verteidigen. Wir müssen die Richter verteidigen. Und deswegen werden wir – jetzt sofort – zum Obersten Gericht marschieren." Sein rotes Poloshirt ist weithin zu sehen. Das Mikro trägt seine Stimme über die gesamte Krakauer Vorstadtstraße.
Die Reform der Justiz hat es in sich. Sie soll unter anderem der Regierung ermöglichen, Richter des Obersten Gerichtes in den Ruhestand zu schicken und ihre Posten neu zu besetzen. Die Richterposten im – über die Unabhängigkeit der Justiz wachenden – Landesrichterrat (KRS) sollen ebenfalls neu besetzt werden. Kritiker befürchten, dass ein befangenes Oberstes Gericht künftig sogar Wahlen für ungültig erklären könnte. Die Europäische Union droht Warschau wegen des Justizumbaus Sanktionen an. Für Empörung sorgen die Reformpläne auch in Nachbarländern Polens. In einer Erklärung warnten die höchsten Richter Tschechiens am Freitag vor der Zerstörung des Rechtsstaates. Nach der Lähmung des Verfassungsgerichts und der Unterordnung der öffentlich-rechtlichen Medien komme es in Polen zu einem beispiellosen Angriff auf die Unabhängigkeit des Gerichtswesens, so die Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichts und des Oberverwaltungsgerichts in Tschechien.
Warschauer Regierende weisen solche Vorwürfe als ungerechtfertigt zurück. Sie argumentieren: Die Reformen seien den Bürgern versprochen worden, denn Polens Justiz sei seit dem Ende des Kommunismus 1989 nicht reformiert worden und korrupt. "Die Justiz funktioniert schlecht", sagte Regierungschefin Beata Szydlo. Richter würden keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, diese wolle man einführen. Ähnliche Regelungen hätten Deutschland oder Dänemark. Das deutsche Grundgesetz sagt freilich etwas anderes: "Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen." (Artikel 97)
Indes könnten die Hoffnungen der polnischen Oppositionellen auf Dudas Eingreifen vergebens sein. Bisher winkte das Staatsoberhaupt, das im Wahlkampf 2015 von der PiS unterstützt wurde, selbst die umstrittensten Gesetze durch.