Herzgeschichten
Warum wir Tierbabys so süß finden
Kulleraugen, Stupsnase und ein tapsiges Auftreten: Der Verhaltensbiologe Norbert Sachser erklärt, warum wir Tierkinder so süß finden und was die Schlüsselreize mit uns machen.
Antje Kayser
Di, 24. Dez 2024, 13:40 Uhr
Panorama
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"Ach wie süß", sagen viele Leute beim Anblick eines Wesens mit großen Augen, einer hohen Stirn und einer kleinen Stupsnase. Das Kindchenschema wirkt - nicht nur bei Menschenkindern, sondern auch bei Tiernachwuchs. Aber warum eigentlich? Die beschriebenen Merkmale sind für den Menschen Reize, die ein positives Gefühl auslösen, erklärt Norbert Sachser, Professor am Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie der Universität Münster: nämlich "dass man sich um dieses kleine Wesen kümmern möchte".
Eine gewisse Tapsigkeit
Das Kindchenschema prägte der österreichische Begründer der Verhaltensforschung und spätere Nobelpreisträger Konrad Lorenz bereits in den 1940er Jahren. Zu den typischen Merkmalen im Gesicht, wie den Kulleraugen, Pausbacken, der kleinen Nase und der hohen Stirn, kämen weitere, wie ein im Verhältnis zum Körper großer Kopf und eine "gewisse Tapsigkeit", sagt Sachser. Und das finden wir süß.
Die Merkmale rufen angeborene, instinktive Reaktionen hervor, und zwar universell: "Überall auf der Welt können sie eine solche Reaktion auslösen." Das sei auch experimentell eindeutig nachweisbar: Wenn die typischen Merkmale auf Bildern per Software verstärkt werden, intensiviert sich bei Versuchspersonen auch die sogenannte Pflegemotivation - das Bedürfnis, sich um das entsprechende Wesen zu kümmern.
Tierbabys sind Besuchermagneten
Dass das Schema auch bei Tierkindern wirkt, zeigt sich unter anderem daran, welche Begeisterung Tierkinder bei Zoobesuchern auslösen. Ob bei Knut, dem Eisbären, der 2006 im Zoologischen Garten in Berlin geboren wurde und damals die große Sensation war, oder den kleinen Pandabären Leni und Lotti sowie dem Zwergflusspferd Toni - wenn sie zu sehen sind, bilden sich Menschentrauben oder -schlangen. Medien berichten über ihre Entwicklungsschritte.
Das schlägt sich auch in den Besucherzahlen nieder. Der Berliner Zoo verzeichnete zwischen dem 16. Oktober und dem 16. November dieses Jahres einen deutlichen Anstieg. Es seien rund 30 Prozent mehr Gäste im Zoo gewesen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, teilte eine Sprecherin mit. Ob das an den beiden Panda-Babys lag, die dann zum ersten Mal zu sehen waren, ist nicht ganz klar, denn auch der Herbst zeigte sich zu Beginn der Herbstferien von seiner besten Seite. Es liegt aber nahe.
Presse dicht gedrängt
Bei Namensverkündung der Pandamädchen kam so viel lokale und internationale Presse zusammen, dass Fotografen in mehreren Reihen und dicht gedrängt standen, um einen guten Blick auf die Zwillinge zu bekommen. Von so viel Aufmerksamkeit kann so mancher Politiker nur träumen. "Zoos lösen keinen Hype damit aus, wenn sie sagen, "wir haben hier jetzt eine sehr, sehr seltene Giftschlange"", so Sachser. "Da können sie noch so sehr Werbestrategie machen."
Die Zeit, die Hunde in Tierheimen verbringen, bevor sie adoptiert werden, hänge auch mit der Ausprägung der Kindchenschema-Merkmale zusammen, sagt Sachser. Es sei auch kein Zufall, dass die Umweltorganisation WWF einen Panda im Logo hat, "und nicht eine vom Aussterben bedrohte Viper". Die Reaktionen auf diese Schlüsselreize finde man schon bei vier Monate alten Babys, sagt Sachser. "Die kann man natürlich noch nicht befragen, aber man kann zum Beispiel verschiedene Fotos zeigen und dann schauen: Wo gucken diese Babys wie lange hin?" Bilder mit Kindchenschema bekommen mehr Aufmerksamkeit. "Das sind schon höchstwahrscheinlich instinktive Reaktionen, die wir bei Menschen haben."
Dass das Kindchenschema wirkt, hat auch die Werbebranche schon vor Jahren erkannt. Bei Autos sei das zu sehen, auch bei Robotern, sagt Sachser. "Pflegeroboter zum Beispiel werden viel eher angenommen, wenn sie die Kindchenschema-Merkmale haben."
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