Interview
Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft: "Die Lage in der Ukraine ist wirklich katastrophal"
Weihnachten steht vor der Tür. Aber wie sieht es aktuell in der Ukraine aus? Und wie kann man helfen? Die Badische Zeitung fragte nach bei der Vorsitzenden der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft, Oksana Vyhovska.
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BZ: Wie ist die aktuelle Lage in der Ukraine?
Sie ist wirklich katastrophal. Der Winter ist angekommen. Und in der Ukraine ist es immer kälter als hier. Eigentlich herrscht ständig Dauerfrost, oft auch in zweistelligen Minusgraden. Durch die unzähligen Drohnenangriffe der letzten Monate ist die Infrastruktur sehr stark zerstört. Es gibt fast überall und täglich Stromausfälle, in vielen Orten haben die Menschen pro Tag nur fünf bis sechs Stunden Strom. Vom Strom hängt aber wiederum die Wasser- und Wärmeversorgung ab. Und natürlich das Internet.
BZ: Unterscheidet sich die Lage von den vorangegangenen Jahren?
Dieses Jahr ist es viel schlimmer als in den vorherigen zwei Wintern. Ständig finden Drohnenangriffe statt, so viele wie noch nie. Immer gezielt auf die zivile Infrastruktur. Und nicht nur auf Umspannwerke, Kraftwerke, Pipelines oder Wasserwerke, sondern auch auf Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und normale Wohngebäude. Die Schäden sind so groß, dass eine schnelle Reparatur nicht mehr möglich ist. Es fehlt an Geld und es fehlen die Menschen für die Bau- und Reparaturarbeiten. Dazu sind jetzt alle Regionen der Ukraine von diesen Angriffen betroffen. Auch der Westen oder Norden. Es gibt keinen sicheren Ort mehr. Es ist echt schwierig. Ich weiß nicht, wie die Ukraine diesen Winter überstehen soll.
BZ: Was brauchen die Menschen in der Ukraine derzeit am dringendsten?
Am besten Generatoren, mobile Stromstationen oder andere Mittel zur Stromerzeugung, wie etwa Balkonsolaranlagen oder normale Solaranlagen. Aber auch warme Kleidung, Schuhe, Decken sowie Bettwäsche und Geschirr. Lebensmittel weniger, da ist eine Geldspende besser, weil man Lebensmittel vor Ort eigentlich kaufen kann. Die Menschen brauchen vor allem Geld. Durch die starke Inflation ist die Armut in der Ukraine angekommen. Während Renten und Gehälter gleich geblieben sind, sind die Preise enorm gestiegen. Für viele geht es ganz konkret darum, sich noch genug Essen kaufen zu können. Auch die allgemeine wirtschaftliche Lage ist sehr angespannt, die Steuereinnahmen sind gesunken, weil viele Unternehmen geschlossen sind oder Personalmangel haben. Ohne Hilfe von außen funktioniert in der Ukraine kaum noch etwas.
BZ: Welche Spendenaktionen und Möglichkeiten zum Engagement gibt es derzeit in der Region?
Ich habe leider keinen Überblick über die ganzen kleineren Aktionen in Freiburg und der Region. Wir von der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft sammeln Sachspenden und bringen sie so einmal im Quartal in die Ukraine. Letzten Montag fuhr der letzte Lkw in diesem Jahr. Leider nur mit neun Paletten. Großspenden, wie im letzten Jahr vom Kiwanis-Club, mit deren Geld wir etwa zwei Waisenhäuser unterstützen konnten, sind in diesem Jahr leider ausgeblieben. Ich kenne noch ein paar Initiativen in Freiburg, die helfen, Solaranlagen in die Ukraine zu bauen oder die gezielt die humanitäre Hilfe für kleinere Gemeinden organisieren.
Spenden für die Ukraine: Sammeltransport bringt Winterkleidung vom Tuniberg in die Ukraine – und Solarpaneele
BZ: Wie steht es denn um die Spendenbereitschaft der Deutschen?
Die Spendenbereitschaft hat in diesem Jahr leider doch nachgelassen. Zum Glück gibt es noch die große Unterstützung durch die Stadt Freiburg und die örtlichen Unternehmen für die Partnerstadt Lviv. Die Dankbarkeit ist dort sehr groß und ich gebe das gerne an alle Freiburger und Freiburgerinnen weiter.
BZ: Gibt es nach der Kündigung der Räume in der Freiburger Salzstraße schon Neuigkeiten für ein neues Ukrainisches Kulturzentrum? Käme für Sie auch ein Umzug in eine Umlandgemeinde in Betracht?
Leider noch nicht. Wir suchen weiter. Ein Ukrainisches Kulturzentrum ist für uns in mehrfacher Hinsicht wichtig. Durchaus auch zum Spendensammeln. Was den Ort betrifft, sind wir offen, das kommt auf die Räume an. Der Standort Freiburg ist aber insofern von Vorteil, als wir hier auch sehr viele Touristen und Menschen aus der ganzen Welt erreichen. Denn es ist sehr wichtig, zu zeigen, dass die Ukraine noch existiert. Ich habe den Eindruck, die Menschen vergessen manchmal, dass in der Ukraine noch Krieg ist.
Oksana Vyhovska (51), lebt seit acht Jahren in Deutschland und arbeitet im Marketing. Sie ist die Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft. Der eingetragene Verein wurde bereits 1992 in Freiburg gegründet.
Info für Spenden an die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft unter https://dug-freiburg.de
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