Internet
Überblick: Worum es im Acta-Streit geht
Vor wenigen Wochen kannten nur wenige Insider das Acta-Abkommen. Doch nach den Demonstrationen am Wochenende ist die Freiheit im Internet plötzlich ein politisches Top-Thema geworden.
Di, 14. Feb 2012, 0:07 Uhr
Deutschland
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Acta ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der Mindeststandards im Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen setzen will. Von Produktpiraterie spricht man, wenn zum Beispiel nachgemachte Markenkleidung oder gefälschte Medikamente verkauft werden.
Um welche Art von
Urheberrechtsverletzungen
geht es?
Wirtschaftlich relevant sind zum Beispiel illegale Angebote im Internet, wenn zum Beispiel populäre Musik und beliebte Filme auf Tauschbörsen oder Filehostern zum kostenlosen Herunterladen angeboten werden. Unternehmen beklagen auch hohe Schäden durch Produktpiraterie etwa bei Textil- und Elektroartikeln (siehe auch Text unten).
Ist Acta schon in Kraft?
Nein. Ein völkerrechtlicher Vertrag tritt erst in Kraft, wenn ihn eine ausreichende Zahl von Staaten unterzeichnet und ratifiziert haben. Über die Unterzeichnung entscheidet die jeweilige Regierung, die Ratifikation nimmt dann das zugehörige Parlament vor, in Deutschland also der Bundestag. Acta haben zwar schon viele Regierungen unterzeichnet, aber die Ratifizierungsphase beginnt erst. Deutschland hat noch nicht unterzeichnet und die Unterzeichnung auch vorerst ausgesetzt.
Wen soll Acta binden?
Acta ist ein Vertrag, der die beteiligten Staaten binden soll. Vertragspartner sind die Europäische Union, die 27 EU-Staaten, die USA, Japan und weitere acht Staaten. In Zukunft sollen noch viele andere Staaten dem Vertrag beitreten, auch solche, die an der Aushandlung nicht mitarbeiten durften. Eine Hoffnung ist, dass eines Tages auch Staaten wie China, wo viel Produktpiraterie betrieben wird, Acta beitreten.
Führt Acta neue Verbote
und Restriktionen ein?
Nein. Die endgültige Version von Acta deckt sich weitgehend mit dem geltenden EU-Recht, das vor einigen Jahren auch in den 27 EU-Staaten umgesetzt wurde. So ist es heute schon verboten, den Kopierschutz einer CD zu umgehen. Außerdem sind Internetfirmen heute schon verpflichtet, Auskünfte an Platten- und Filmfirmen zu geben, um gewerbliche illegale Downloads verfolgen zu können. Ziel des Acta-Vertrages ist es nun, dass diese Maßnahmen in möglichst vielen Staaten angewandt werden sollen.
Macht Acta die Internetfirmen
zu Hilfspolizisten?
Nicht stärker als bisher. Die endgültige Version von Acta sieht keine Verpflichtung vor, dass Internetprovider (zum Beispiel T-Online) den gesamten Verkehr ihrer Kunden überwachen müssen, um illegale Aktivitäten zu verhindern. In Deutschland ist derzeit die Haftung der Internetprovider beschränkt. Sie haften nur, wenn sie zuvor ausdrücklich auf illegale Aktivitäten hingewiesen wurden und dann untätig blieben. Daran würde auch Acta nichts ändern.
Ermuntert Acta die EU und die
EU-Staaten, neue Verbote und
Restriktionen einzuführen?
Das ist eine psychologische, keine rechtliche Frage. Die EU oder der Bundestag können jederzeit Gesetze beschließen, die über völkerrechtliche Mindeststandards wie Acta hinausgehen. Acta benennt einige Möglichkeiten hierzu, schreibt sie aber nicht vor. Ob die Staaten solche Möglichkeiten umsetzen wollen, ist eine Frage des politischen Klimas. Wenn man die letzten Wochen betrachtet, hat Acta bisher eher den Widerstand gegen Verschärfungen des Urheberrechts gestärkt. Die EU-Kommission und die Bundesregierung werden sich gut überlegen, ob sie weitere Verschärfungen des Urheberrechts vorschlagen.
Warum regt Acta so viele auf?
Das hat vor allem vier Gründe: Erstens wurde Acta weitgehend geheim ausgehandelt. Das hat Misstrauen geweckt. Zweitens sah Acta in früheren Versionen durchaus Punkte vor, die über das aktuelle deutsche und europäische Recht hinausgingen – etwa eine Verpflichtung, den Internetanschluss zu sperren, wenn jemand drei Mal beim illegalen Herunterladen von Musik oder Filmen erwischt wurde. Drittens orientiert sich Acta einseitig an den Interessen der Musik- und Filmfirmen. Und viertens zementiert es den Stand des aktuellen Urheberrechts.
Wollen die Acta-Gegner ein
anderes Urheberrecht?
Ja. Sie halten das bisherige Urheberrecht für nicht mehr zeitgemäß. Im Internet hätten sich neue Formen des Teilens von Wissen, Informationen und Unterhaltung herausgebildet, die als gesellschaftlicher Fortschritt angesehen werden. Wer hier mit Abmahnungen, Schadenersatzklagen und Strafrecht reagiere, habe die Zeichen der Zeit nicht verstanden und mache sich zum Büttel der Konzerne. Musik- und Filmfirmen werden als Mafia dargestellt, die Künstler ausbeutet und den Staat zu ungerechten Gesetzen veranlasst.
Wollen die Acta-Gegner, dass
Musiker nur noch aus Spaß
an der Musik musizieren?
Nein. Sie weisen darauf hin, dass Musiker heute eben mehr mit Konzerteinnahmen verdienen. Für die Nutzung von Musik und Filmen im Internet soll künftig jeder einen monatlichen Obolus bezahlen. Dafür kann er dann soviel Kultur herunterladen wie er will (sogenannte "Kultur-Flatrate"). Wie hoch die Pauschale sein soll, ist allerdings ebenso umstritten, wie die Frage, wer die Einnahmen verwaltet und nach welchen Kriterien sie dann auf Künstler und Unternehmen verteilt werden.
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